Spannungsreich

Unterschiedliche Raumhöhen und Blickbeziehungen sowie die Wechselwirkung von Haus und Garten formen einen einzigartigen Lebensraum für ein Paar, das mit diesem Grundstück in Zürich verwurzelt ist.

Wo zuvor ein Einfamilienhaus aus den 1960er-Jahren stand, das mehrfach umgebaut wurde und nicht mehr erhaltenswert war, erstreckt sich nun eine moderne Villa, die aus drei Baukörpern besteht: dem dreigeschossigen Haupthaus, dem Atelier der kunstschaffenden Bauherrin und der oberirdischen Tagesgarage. Zwischen den drei Volumen spannen sich auskragende Kupferdächer, die die Einheiten und den Aussenraum zu einem Ensemble verbinden. Die Architektur mit mehreren Volumen ermöglicht ein Zusammenspiel und damit einen intensiven Wechselbezug von Innen- und Aussenraum. Genau das überzeugte die anspruchsvolle Bauherrschaft, die zuvor mit verschiedenen namhaften Architekturbüros einen Anlauf für ihr Bauvorhaben versucht hatte.

Architekturliebe geht durch den Magen

Aufmerksam auf das Architekturbüro L3P Architekten AG wurde die Bauherrschaft durch ein Abendessen im frisch renovierten Hotel Restaurant Krone in Regensberg im Kanton Zürich. Nebst dem Essen habe ihnen das Ambiente so gut gefallen, dass es zu ihrem Stammlokal wurde und sie sich schliesslich nach dem verantwortlichen Architekten erkundigten.

«Das realisierte Projekt ist sehr nahe am Entwurf», berichtet Martin Reusser, Architekt und Mitinhaber der L3P Architekten AG. Er führt weiter aus: «Es war aber nicht unser erster Versuch, auch wir hatten Anlaufschwierigkeiten.» Mit dem zweiten Entwurf traf das Team den Geschmack der Bauherrschaft. Der Prozess zu diesem Ergebnis war von regem Austausch und sehr enger Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft und dem Planungsteam geprägt. «Man inspirierte sich bei gewissen Themen gegenseitig», sagt Martin Reusser. Schliesslich sei das Zwischenmenschliche und damit das Vertrauensverhältnis der Parteien enorm wichtig bei einem Bauprojekt, betont er und schliesst dies aus seiner Erfahrung während seiner bald dreissigjährigen Karriere als Architekt.

Der überzeugende Entwurf war massgeblich vom Wunsch der Bauherrschaft geprägt, den Garten des fast 4000 m2 grossen Grundstücks einzubeziehen. «Der Bauherr ist auf diesem Grundstück aufgewachsen. Es war ihm und seiner Frau ein Anliegen, den Baumbestand zu erhalten. Ausserdem war es ihnen wichtig, dass der Aussen- und der Innenraum zusammenspielen und nicht einfach ein Palast in einen Park gesetzt wird», erzählt Martin Reusser. Seinem Team ist es in Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekt Enzo Enea gelungen, eine Symbiose aus Landschaft und Architektur herzustellen und damit einen abwechslungsreichen und inspirierenden Lebensraum zu gestalten.

Sorgfältige Planung, erlesene Materialien

Vom ersten Gespräch bis zum Baubeginn vergingen vier Jahre. Die lange Planungszeit war gewiss auch dem nötigen zweiten Entwurfsanlauf geschuldet. Dafür war die Bauzeit mit rund eineinhalb Jahren relativ kurz für ein Projekt dieser Grösse mit einer Bruttogeschossfläche von über 1000 Quadratmetern. Dies trotz umfangreicher Abklärungen für die Baubewilligung, damit das Gebäudeensemble in der klassischen Einfamilienhauszone umsetzungsfähig war. Einsprachen wurden durch die Nachbarschaft keine erhoben. Vermutlich auch deshalb, weil die Bauherrschaft durch die Ortsverbundenheit gute Beziehungen pflegt und proaktiv mit ihrem Vorhaben auf ihre Nachbarinnen und Nachbarn zuging. Eilig hatte es die Bauherrschaft mit dem Projekt nicht. Sie nahm sich die nötige Zeit und brachte sich bei der detaillierten Planung intensiv ein. Sie war interessiert, die Werke zu besichtigen, wo die gewählten Materialien verarbeitet wurden, um ein besseres Verständnis dafür zu gewinnen.

Um die Erdverbundenheit zum Ausdruck zu bringen, kam man schnell zum Entschluss, dass die Fassade aus Klinker bestehen sollte. «Wir waren mit dem Material bereits vertraut, da wir vor der Planung dieses Hauses mit der Projektierung einer Grossüberbauung mit Aussenwänden aus Klinker gestartet hatten», berichtet Martin Reusser, «Der Klinker mit Grau-, Braun- und Grüntönen wirkt sehr schön und lebendig und nimmt die Farben der Umgebung auf. Der ‚Kolumba‘-Ziegel des dänischen Herstellers Petersen Tegl ist der Rolls-Royce unter den Ziegelsteinen.» Dieser gebrannte Ziegelstein hat eine spezielle Länge und in jedem Stein steckt viel Handarbeit. Diese Wertigkeit hat die Bauherrin beeindruckt. Im Gegensatz zur verspielten Klinkerfassade kommt die Materialisierung der Innenräume monochrom daher: Die Wandbeläge bestehen aus einem feinen, hellen Kalkputz und der Boden aus einem farblich passenden, leicht eingefärbten Hartbeton. «Der Kalkputz ist leicht rötlich pigmentiert, um mit dem Kupfer zu harmonieren, das bei den Dachauskragungen und Detailarbeiten im Innenbereich eingesetzt wurde. Das Kupfer war nämlich für die Bauherrin als Künstlerin ein wichtiges Material», erklärt der Architekt. Für die Einbauten kommt Nussbaumholz ins Spiel. Das greift den leicht rötlichen Farbton des Klinkerputzes und des Kupfers auf und bringt gezielt Wärme in die Räume, die wie aus einem Guss wirken.

Spannung erzeugen

Das Innenleben ist durch Verschachtelung geprägt: Hohe Räume und tiefer gelegene Bereiche fliessen ineinander über. «Gerade beim Eintreten kommt man in einen hohen Teil mit Oberlicht, danach taucht man förmlich ab in eine Verbindungszone, an die Nebenräume angeschlossen sind, und wird dann vom Hauptraum mit Panoramablick in den Garten empfangen», beschreibt Martin Reusser. Der grosse, offene Raum hat eine Akustikdecke. Ein offenes Cheminée sorgt ebenfalls für Gemütlichkeit. Hinter der Küche öffnet sich der Blick zum Atrium mit dem Eisenholzbaum. Die Wohnlounge ist offen zur Küche, jedoch tiefer gelegen und zu einem weiteren Gartensitzplatz orientiert, wo sich die Abendsonne geniessen lässt. Das Raumkonzept im Erdgeschoss wird durch eine komplett in Nussbaum gestaltete Bibliothek und zwei Gästezimmern ergänzt. Spannung wird weiter durch eine Öffnung nach oben mit darüberliegendem Oberlicht erzeugt. Dort sind die privaten Räume der Bauherrschaft mit Atrium und Jacuzzi. Das Untergeschoss beherbergt einen Weinkeller, ein Privatkino sowie einen Fitnessbereich mit Sauna. Die Technik und eine weitere, wesentlich geräumigere Garage sind hier ebenso untergebracht.

Durch unterschiedliche Raumhöhen, gezielt platzierte Oberlichter und sorgfältig gewählte Öffnungen zum Garten wird Spannung erzeugt. Das reduzierte Beleuchtungskonzept entfaltet seine Wirkung auf zurückhaltende Art und Weise, indem es die Wände unauffällig erhellt und die Tiefe der Räume unterstreicht. «Für mich hat dieses Haus eine spezielle Aura. Beim Durchschreiten des Hauses wird man stets mit einem neuen Bild überrascht. Die unterschiedlichen Blickbeziehungen und Höhenunterschiede sorgen für viele Wow-Momente», beschreibt Martin Reusser.

So nachhaltig wie möglich

Gerade weil ihr Anwesen so grosszügig ist, war die Bauherrschaft darauf bedacht, so ökologisch und nachhaltig wie möglich zu bauen. Beheizt werden das Minergie-Haus und der Aussenpool deshalb mit einer Erdsonden-Wärmepumpe. Die Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung kühlt das Haus im Sommer passiv ab. Dank der PV-Anlage wird das Anwesen mit Eigenstrom versorgt. Optionen für eine mögliche Umnutzung wurden vorbereitet, sodass mit wenigen Baueingriffen das Atelier zum komfortablen Wohnhaus im Alter werden und das Haupthaus an eine Familie mit Kindern übergegeben werden könnte. <<

TECHNISCHE ANGABEN

[ ARCHITEKTUR ]

L3P Architekten AG, l3p.ch

[ KONSTRUKTION ]

Massivbau, Aussenwände 2-schalig | Flachdach | Fassade: Klinker

[ Raumangebot ]

Bruttogeschossfläche: 1172 m² | Anzahl Zimmer: 6, exkl. Ateliergebäude

[ Ausbau ]

Wandbeläge: Kalkputz, eingefärbt, imprägniert | Bodenbeläge: Hartbeton, leicht eingefärbt, geschliffen und versiegelt | Fenster: Holz-Metall-Fenster, innenseitig in Nussbaum

[ Technik ]

Erdsonden-Wärmepumpe für Heizung und Warmwasser | PV-Anlage

Das Atelier ist mit rohem Beton rauer als das Wohnhaus. Tageslicht und der Gartenblick wirken besänftigend, wobei die Öffnung auch ein Fenster zur Inspiration ist.
Das Atelier ist mit rohem Beton rauer als das Wohnhaus. Tageslicht und der Gartenblick wirken besänftigend, wobei die Öffnung auch ein Fenster zur Inspiration ist.
Die Raffinesse des Badezimmers liegt in der ruhigen Ausstrahlung. Das puristische Design und die Blick- beziehungen sind auch hier konsequent.
Die Raffinesse des Badezimmers liegt in der ruhigen Ausstrahlung. Das puristische Design und die Blick- beziehungen sind auch hier konsequent.
Das auskragende Kupferdach verbindet die drei Gebäudevolumen und lässt attraktive Innenhöfe und Aussenplätze entstehen.
Das auskragende Kupferdach verbindet die drei Gebäudevolumen und lässt attraktive Innenhöfe und Aussenplätze entstehen.
Die Küche von Boffi mit Marmorfronten fügt sich gekonnt in das Innenarchitekturkonzept ein. Die Festverglasung öffnet den Blick zum Eisenholzbaum im Atrium.
Die Küche von Boffi mit Marmorfronten fügt sich gekonnt in das Innenarchitekturkonzept ein. Die Festverglasung öffnet den Blick zum Eisenholzbaum im Atrium.
Die Exklusivität macht sich bereits beim Eingangsbereich durch schimmernde Kupferelemente und den edlen Klinker bemerkbar.
Die Exklusivität macht sich bereits beim Eingangsbereich durch schimmernde Kupferelemente und den edlen Klinker bemerkbar.
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