Casa Heim

In den Terre di Pedemonte hat ein Architektenpaar für sich und seinen Sohn ein Zuhause gebaut, das eine Oase mit Blick in die Berge und über die üppige Tessiner Vegetation darstellt.

Zwischen felsigen Bergen, Flüssen und Reben liegt die ebene Fläche der Tessiner Gemeinde Terre di Pedemonte, in welcher die Italienerin Serena Heim mit ihrem Mann Daniel Heim und dem gemeinsamen achtjährigen Sohn Roberto des Öfteren von ihrem Wohnort Muralto her eine Velotour zum Flussbad unternimmt. «Hier fühle ich mich zu Hause», denkt sie, in die Pedale tretend. Über 422 Quadratmeter in einer Wohngegend mit mehrheitlich Einfamilienhäusern erstreckt sich das flache Terrain, welches das Paar vor der Coronapandemie gekauft und darauf 2019 ihr Haus gebaut hat.

Die Oberschränke der massgezeichneten Küche sind bündig gehalten, weshalb sie wie ein Möbel mit Nische wirkt.

Beide im Architekturbereich tätig, haben sie dieses Herzensprojekt gemeinsam über ein Jahr geplant und den Bau ebenso lange begleitet. «Wir haben versucht, die umgebende Landschaft so gut wie möglich in das Innere des Hauses zu bringen und gleichzeitig die unmittelbaren Häuser auszublenden», umschreibt Heim das Konzept, «es war uns ein Anliegen, ein kompaktes Volumen zu kreieren, das auf 110 Quadratmetern Wohnfläche grosszügig wirkt.»

Als Objekt im Raum thematisiert: Die Pivot-Türe im Wohnzimmer mit dezentral gesetzter Achse pendelt sich im 90-Grad-Winkel ein.

Dies hat das Paar mit einem Grundrisskonzept ohne Korridore, mit abwechslungsreichen Raumabfolgen und mit genau definierten Sichtachsen erreicht. Das Haus wirkt nach aussen hin zurückhaltend und relativ klein inmitten der anderen Einfamilienhäuser, die es umgeben. «Wir sind immer erfreut, wenn jemand das Haus besichtigt und über die Grosszügigkeit der Räume und die Weitsicht überrascht ist. Generell werden die Details erst bei genauerem Erforschen nach und nach entdeckt», erzählt Serena Heim. Der Zugang erfolgt über den Innenhof, oder Patio, der auch als Aussenwohnbereich dient und in dem das Licht durch eine Pergola und einen grossen Olivenbaum gefiltert wird. Als Eingangsraum, Terrasse und Sommerwohnraum fungierend, öffnet er sich zur Strasse und ermöglicht spontane Einladungen, kann aber auch durch eine Holzschiebetür «privatisiert» werden. Eine duale Funktion, die der Bauherrin sehr gefällt.

Als Objekt im Raum thematisiert: Die Pivot-Türe im Wohnzimmer mit dezentral gesetzter Achse pendelt sich im 90-Grad-Winkel ein.

Drei Volumen

Die Wohnbereiche stehen in direkter Verbindung mit dem Garten, dem Innenhof und den umliegenden Bergen und werden durch drei Betonvolumen definiert, die die Dachstruktur tragen und in denen sich auch die Technik für die angrenzenden Haupträume befindet. Tritt man ins Haus ohne Korridor, steht man gleichzeitig im Eingangsbereich, in der Küche und im Esszimmer. Die verschiedenen Funktionen überschneiden sich: Der Eingang ist im Aussenraum, das Foyer ist ebenso Küche und Esszimmer. Links steht das erste Volumen mit Badezimmer und Garderobe, rechts das zweite mit der massgeschreinerten Küche und dem Kinderzimmer dahinter. Das dritte und letzte mit Elternschlafzimmer und En-Suite-Bad macht den hinteren und privaten Bereich aus und dient als Abschluss des Wohnzimmers und als Abtrennung zum Büro.

Die Holztüren erlauben, die Räume neu zu teilen, und dienen, wenn geöffnet, gleichzeitig als Schranktüren.

Die Volumen sind so platziert, dass eine dynamische Tiefenwirkung entsteht, ein grosszügiges Raumerlebnis mit zwei Sichtachsen, durch die man durch das ganze Haus sieht. Dies zieht sich durch bis zur Gartensitzbank, von der aus man durchs Haus hindurch in die Berglandschaft schauen kann. Durch den so kreierten starken Lichteinfall werden die offenen Räume als Fenster wahrgenommen, sodass die Familie das ganze Jahr durch tagsüber mit natürlichem Licht auskommt. «Der Zusammenhang der Räume war uns wichtig», so die Bauherrin, «der Kontakt ist immer gewährleistet: Man ist im Blickfeld, hat aber seinen eigenen Raum», und der Bauherr ergänzt: «Wir wollten nicht gegen Norden schlafen und gegen Süden wohnen, sondern dass man in jede Richtung blicken kann.» So öffnet sich das Haus auf alle Seiten, man schaut immer in einen anderen Aussenraum: Das Esszimmer öffnet sich zum Patio, auf ein Kräuterbeet und das Wohnzimmer in den Garten, während das Büro die Sicht auf die Berge freigibt.

Der im ganzen Innenraum des Hauses ausgelegte Holzboden bildet mit seiner warmen Oberfläche und akustikdämmenden Eigenschaft einen angenehmen Dialog mit dem Sichtbeton.

Auch in Zukunft minimalistisch

Auf ein Minimum reduziert wurden die Materialien. Sichtbeton und Holz dominieren die Haupträume, wobei in den Zimmern der Beton verschwindet und Holz-Alu-Fenster als Einrichtungselemente dienen und dem Raum zusammen mit dem gewachsten und geölten Eichenparkett Wärme verleihen. Im Aussenraum wurde dieses Materialkonzept weitergezogen, so ist der Patio mit einer Sitzbank und dem Schiebetor aus Holz ausgestattet. Die Bauherrschaft hat die Küche sowie die Türen und Möbel selbst gezeichnet und von einem Schreiner in Eiche ausführen lassen. Der armierte Sichtbeton bildet die Holzstruktur der Schalung ab, sozusagen als Oberflächenzeichnung. Dieses Rohe gefällt der Bauherrschaft besonders gut. «Die Betonoberflächen reflektieren das Licht und die Farben der umgebenden Landschaft in ständig wechselnden Atmosphären», umschreibt die Architektin. «Man sollte in der Architektur nicht modisch sein wollen», meint Heim und präzisiert: «Wir betrachten unser Haus gerne als leise, zeitlose Architektur. Das Konzept soll auch in vielen Jahren nachvollziehbar sein und weiterentwickelt werden können.» Vorgesorgt hat die Bauherrschaft schon. Ausgenutzt wurde die Fläche, aber ein Stockwerk könnte in der Höhe aufgesetzt werden. Leitungen hat man dazu vorab gelegt, auch in der Küche verbindet ein Leerrohr Dach und Technikraum im Keller, zum Beispiel für die Anbringung einer Solaranlage. Im Depot mit Velounterstand ist zudem ein Anschluss für eine zukünftige Elektroautoladestation integriert. Letztere wird wohl noch vor der nächsten Generationenübernahme in Betrieb genommen werden, auch wenn die Familie nach wie vor gerne mit dem Fahrrad die Umgebung erkundet.

Im Bad – gleichzeitig Garderobe – dominiert der Einbauschrank, der zur Ablage mit Waschbecken wird. Eine mattierte Milchglasschiebetüre trennt bei Bedarf die Funktionsräume.

 

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