Palazzo

Ein schlichter Bau aus Beton erweist sich als Palast: In Uitikon hat eine Familie ihren Wohntraum verwirklicht und ein Haus mit italienischem Spirit gebaut.

Eine markante Betonskulptur trennt den Wohnraum von der offenen Küche und macht den Rohstoff sichtbar.

An der Westflanke des Uetlibergs liegt das 5000-Seelen-Dorf Uitikon. Ein dichter Wald und rund 100 Höhenmeter trennen diese ländliche Idylle von Zürich. Uitikon Waldegg gilt als beliebter Wohnort für Städterinnen und Städter, denn die Gegend bietet Lebensqualität. An der Stallikerstrasse, wo einst ein kleines Einfamilienhaus aus den 1950er-Jahren mit grossem Umschwung stand, zieht heute ein markanter Neubau die Blicke auf sich: ein Anwesen im Geiste eines Palazzo. Die Bauherrschaft mit italienischen Wurzeln hat mit dem Projekt ein visionäres Vorhaben umgesetzt. Äusserlich mutet der Bau aus Beton mit Flachdach schlicht und grosszügig zugleich an. Wer das Innere betritt, taucht in eine Welt ein, die von einer besonderen Harmonie geprägt ist: Verspielte Italianità und schnörkelloses Design verbinden sich zu einem aufsehenerregenden Ganzen. «Es war immer mein Wunsch, an diesem Ort mein Traumhaus zu bauen», so der Bauherr. Während der gesamten Planungs- und Bauphase habe er seine Ideen und Vorstellungen einbringen können, betont er. Zusammen mit den Architekten Marazzi Reinhardt ist ein architektonisches Werk entstanden, das sich sehen lässt.

Merkmal eines Palazzo ist das Piano nobile: Der Wohnraum befindet sich im ersten Obergeschoss.

Leben im Piano nobile

«Wesentliches Merkmal eines Palazzo ist das Piano nobile», heisst es seitens der Architekten. Das bedeutet, dass sich der eigentliche Wohnraum im ersten Obergeschoss befindet. Diese Anordnung verleiht dem Wohnsitz eine gewisse Noblesse und sorgt gleichzeitig für die gewünschte Privatsphäre. Der Zugang zum Gebäude befindet sich im Erdgeschoss, wo ein weiterer Eingang zur 2,5-Zimmer-Einliegerwohnung führt. Wer das Haus betritt, bekommt im grosszügigen Eingangsbereich sogleich die Atmosphäre des Palazzo zu spüren: Auf dem Natursteinboden gelangt man zur edlen Wendeltreppe, die ins Piano nobile und weiter hinauf in die dritte Etage führt. Die Treppe bildet in gewisser Weise den Kern, um den die verschiedenen Wohnbereiche und Stockwerke angeordnet sind. Bemerkenswert ist dabei die Wahl des Materials. «Wir haben uns für Travertin entschieden», so der Bauherr. Dieser poröse Kalkstein mit gelblich-brauner Prägung ist für seine besondere Optik, aber auch für seine warme Haptik bekannt. Als die Architekten einen entsprechenden Kalkstein aus dem Jura vorschlugen, winkte der Bauherr ab: «Ich wollte den schönsten Travertin und bin selbst nach Rom in einen Steinbruch gefahren, um einen klassischen Römertravertin auszuwählen», erzählt er. Nach dem Import in die Schweiz wurde das Material von italienischen Travertinspezialisten fugenlos im Haus verlegt.

Das Schlafzimmer besticht durch seine zurückhaltende Gestaltung. Auch dies charakterisiert den Palazzo.

Zwei Wohnwelten

Bei der Wahl der Materialien wurde nichts dem Zufall überlassen. Der naturbelassene Beton, der sowohl die Aussenfassade als auch die Mauern im Innern kennzeichnet, stammt von einem lokalen Lieferanten. «Ich mag es, wenn der Rohstoff sichtbar ist.» Es sei eine Form der Wertschätzung dem Material gegenüber, findet der Bauherr. Davon zeugt auch die markante Betonskulptur, die den Wohnraum von der offenen Küche abgrenzt. Das Objekt dient in erster Linie als Stütze, es wurde aber von den Architekten als Skulptur inszeniert, die den Kindern nun als willkommene Spiel- und Sitzgelegenheit dient. Ein weiteres Merkmal eines Palazzo ist der punktuelle Einsatz der Mittel: «Repräsentative Räume werden veredelt, untergeordnete Räume zurückhaltend ausgestaltet», so die Architekten. Im Innern des Hauses bewegt man sich somit in zwei unterschiedlichen Wohnwelten. Das nach Süden ausgerichtete Wohnzimmer mit Travertinboden ist überhoch und mit einer grossflächigen Terrasse verbunden, die über einen Boden aus Eichenholz verfügt. Die Schlaf- und Nebenräume hingegen haben eine bescheidene Grösse und eine normale Geschosshöhe. Zudem setzt ein Boden aus Linoleum, der aus Leinen und Kakaoschalen fabriziert wurde, eine natürliche Grenze zum Wohnbereich. Obwohl charakterlich unterschiedlich, fliessen die verschiedenen Wohnwelten durchwegs ineinander über. Es gibt im ganzen Haus keine Schwellen – auch nicht zwischen dem Innen- und Aussenbereich.

Die grosszügige Atmosphäre zeigt sich bereits im Eingangsbereich. Auf dem Natursteinboden gelangt man zur Wendeltreppe.

Kunstvolles Interior

Als Blickfang erweisen sich die rosa Markisen, die der nüchternen Fassade aus Beton eine gewisse Brillanz verleihen. Sie überzeugen nicht nur optisch, sondern lassen sich auch als stimmungsvolles Lichtelement einsetzen. Sie harmonieren mit dem Morgen- und Abendrot und schaffen im Innern eine warme Ambiance. Dem Thema Licht wurde im Rahmen der Planung ein grosses Gewicht beigemessen. «Wir haben das Licht von Beginn weg ins Konzept einbezogen», so der Bauherr. Davon zeugen die Aussenbeleuchtung, die verschiedenen Lichtquellen im Haus, die kleinen und grossen Designleuchten sowie die farbige Terrassenbeleuchtung. «Ich liebe es, mit Licht unterschiedliche Stimmungen zu erzeugen», so der Bauherr. Auch das Interior wurde im Palazzo sorgfältig gestaltet. Im Wohnraum stehen Einzelstücke wie ein Sideboard von Arne Vodder und ein Tisch von Hans Wegner, die der Bauherr auf Auktionen erwerben konnte. Und an den Wänden hängen Werke des italienischen Architekten und Designers Gio Ponti: «Sie sind mir zufälligerweise auf einer Handelsreise in Italien in die Hände gekommen», so der Eigentümer, der sich als Gio-Ponti-Fan outet. Es sind diese persönlichen Statements sowie ein ausgeprägter Sinn für Ästhetik, die den Neubau an der Stallikerstrasse charakterisieren. Der Gestaltungswille der Bauherrschaft ist längst nicht ausgeschöpft: In diesem Sommer soll auf dem Dach eine grosse Terrasse mit offener Feuerstelle angelegt werden. Weitsicht ist angesagt. ||

Die rosa Markisen verleihen der nüchternen Fassade aus Beton eine gewisse Brillanz.

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