Tipps vom Profi – Wandgestaltung

Lust auf Tapeten? Expertin Ruth Mothershead gibt einen Einblick in die Geschichte dieser Form von Wandgestaltung sowie praktische Tipps für deren Verwendung.

Motive von Tapetenfragmenten aus dem Zeitraum 1830–1870, die im denkmalgeschützten Gebäude Felbrigg Hall in Norfolk gefunden wurden, bildeten die Vorlage für die Tapete «Bird and Bluebell». Ursprünglich auf einem gestreiften Hintergrund dargestellt, wurde das Bild mit Vögeln, Bienen und Glockenblumen angepasst und neu koloriert und ist in vier verschiedenen Farbversionen erhältlich.

Mit Tapeten lässt sich ein Raum einfach kleiden, ob mit bunten oder dezenten Mustern, sodass der Raum ohne viele Möbel oder Accessoires bereits «angezogen» wirkt.
Tapeten gibt es heutzutage in diversen Ausführungen und mit einzigartigen Dessins.
Mit historischen Motiven befasst sich der britische Farbenhersteller Little Greene in Zusammenarbeit mit der unabhängigen und grössten Denkmalschutzorganisation Europas, dem National Trust.
Für seine Tapetenkollektionen begibt sich das familiengeführte Unternehmen laufend auf Spurensuche und lässt mit seinen Tapeten Motive und Muster vergangener Zeiten neu aufleben.

 

 

Ruth Mottershead – Kreativdirektorin Little Greene littlegreene.eu

Ruth Mothershead, wie kam die Dekoration von Wänden mit Papiertapeten auf?
Die Vorläufer der Tapeten – wie wir sie heute kennen – waren nicht aus Papier und wurden von Künstlern und Handwerkern nach Mass gefertigt, nicht von herkömmlichen Druckern. In den Häusern des Adels und des Grossbürgertums vor dem 18. Jahrhundert wurden die Wände der wichtigsten Räume mit geprägten Ledertapeten und aufwendigen, handgewebten Wandteppichen geschmückt. Seit der Industrialisierung konnten Tapeten in Serie produziert werden und wurden so für viele Menschen erschwinglich.

 

Wie kam es zur Zusammenarbeit von Little Greene mit der Denkmalschutzorganisation National Trust?
Die Kooperation begann 2018. In dieser ersten Zusammenarbeit haben wir Originalfarben an den Wänden der altehrwürdigen Liegenschaften für Restaurationsarbeiten mit einer zeitgemässen Farbrezeptur nachgebildet, die neu umweltfreundlich und frei von tierischen Inhaltsstoffen ist. Ein gutes Beispiel dafür ist die Farbe «Indian Yellow», die wir vor zwei Jahren nachgebildet haben: In der historischen Farbe wurde das Pigment aus dem Urin von Kühen gewonnen, die dafür mit bestimmten Pflanzen gefüttert wurden und tagelang dursten mussten, um den Urin zu konzentrieren. Das Pigment wird heutzutage selbstverständlich synthetisch hergestellt.

 

Im Januar haben Sie mit den «National Trust Papers III» die dritte Kollektion in Zusammenarbeit mit der Denkmalschutzorganisation heraus­gebracht. Was für Tapeten wurden für diese Kollektion erforscht?
Für diese Kollektion haben wir vor allem denkmalgeschützte Herrenhäuser wie Oxburgh Hall und Felbrigg Hall in Norfolk besucht. Dort fanden wir Tapetenfragmente, Reste von bemalten Wandverkleidungen oder auch ganze Rollen auf dem Dachboden.
Beim Kreieren einer Tapetenkollektion überarbeiten wir die historischen Muster, um sie an moderne Architektur anzupassen, was bedeuten kann, dass Elemente des Musters entfernt oder neue Designs hinzugefügt werden.
Wenn wir diese Arbeiten abgeschlossen haben, beginnen wir mit der Erstellung verschiedener Farbvarianten unter Verwendung von Little-Greene-Farben. In dieser Kollektion haben wir manche Tapeten in kräftigen, tonalen Farben gehalten.

 

Wie hat sich die Verwendung der Tapeten als Wanddekoration über die Jahre entwickelt?
Tapeten erfreuten sich schon immer grosser Beliebtheit. In der jüngeren Vergangenheit war zwar ein leichter Rückgang zu beobachten, aber seitdem die modernen Vliestapeten so leicht angebracht werden können, ist die Nachfrage wieder stärker geworden.

 

Wie lassen sich Ihre Tapeten in Neubauten in Szene setzen?
Derzeit gibt es den Trend des «Colour Drenching»: Alle Wände, die Decke und auch Türen, Fensterrahmen und Sockelleisten werden in einer Farbe gestrichen, sodass der ganze Raum in Farbe getaucht wird.
Daran angelehnt entsteht ebenfalls eine beeindruckende Wirkung, wenn alle Wände und sogar die Decke tapeziert werden. Für Letztere sollte man allerdings ein Muster wählen, das aus allen Richtungen betrachtet werden kann.

 

Welche Tipps haben Sie für Bauherrschaften, die Lust auf Tapeten hätten, aber noch unsicher sind, ob sie welche verwenden wollen?
Wer es dezenter mag oder sich erst einmal vorsichtig an das Thema Tapete heranwagen möchte, kann nur eine Wand oder ein bauliches Merkmal wie einen Wandvorsprung oder einen Erker tapezieren. Besonders harmonisch wirkt das, wenn die übrigen Wände dann in einem Ton gestrichen werden, der auch in der Tapete vorkommt.

 

Was muss man beim Kauf von Tapeten beachten?
Unsere Tapetenbahnen sind 10,05 m lang und 52 cm breit. Damit man die benötigte Menge an Tapetenrollen errechnen kann, muss die Rapporthöhe berücksichtigt werden: Manche Muster wiederholen sich alle 13 cm und haben wenig Verschnitt. Wählt man jedoch eine Tapete mit einem grossen Motiv, wie zum Beispiel die «Bird and Bluebell», benötigt man drei verschiedene Rollen, um das gesamte Motiv einmal zu applizieren. In unserem Onlineshop bieten wir einen Tapetenrechner an, der helfen kann, die benötigte Menge anhand der Wandgrösse zu ermitteln. Am besten ist aber, man lässt sich von einer Fach­person beraten.

 

Wie sollte die Wandbeschaffenheit sein?
Zum Tapezieren braucht es trockene, saubere Wände. Es darf nichts abbröseln oder uneben sein.

 

Wie aufwendig ist es, Tapeten selbst zu applizieren?
Da wir Vliestapeten verwenden, wird der Tapetenkleister direkt auf die Wand aufgetragen und die Tapete anschliessend daraufgelegt. Sie lässt sich dann auch noch eine Weile verschieben und zieht sich nicht so stark zusammen. Das erleichtert das Anbringen erheblich. Bei Tapeten wie «Bird and Bluebell», bei der sich das Motiv über drei Rollen erstreckt, ist allerdings schon etwas mehr handwerkliches Geschick erforderlich.

 

Was muss beim Entfernen von Tapeten beachtet werden?
Die Tapeten müssen gut befeuchtet sein. Dafür kann man mit einer Bürste oder einem Schwamm Wasser auftragen. Wichtig ist, dass die alten Tapeten wirklich rückstandslos abgelöst werden. Sonst hat man später auf der neuen Unebenheiten.

 

Was ist die Lebensdauer von Papiertapeten?
Tapeten haben mitunter eine sehr hohe Lebensdauer – wir finden immer wieder Tapeten in den teils 300 Jahre alten historischen Liegenschaften des National Trust. Und ja, wie alles Farbige verblassen auch Tapeten irgendwann, wenn man sie dauerhaft sehr hoher Lichteinstrahlung aussetzt. Im Wohnbereich ist das meist nicht der Fall, da Fenster heutzutage einen UV-Schutz haben und künstliches Licht nicht permanent zum Einsatz kommt.

 

Gibt es weitere Faktoren, die die Lebensdauer beeinflussen?
Starker Abrieb sollte vermieden werden. In einem engen Esszimmer beispielsweise, in dem Stuhllehnen an der Wand entlanggeschoben werden, wird die Tapete zu stark beansprucht. Da sollte man eine Sockelleiste anbringen, die die Stösse und Kratzer abfangen kann. Starke Feuchtigkeit mögen Tapeten ebenso wenig, aber das betrifft eher den Kleister als die Tapete selbst. Der löst sich dann ab, deshalb sollten Tapeten generell nicht in sehr feuchten Räumen und in Kellern angebracht werden.

 

Wie pflegt man Tapeten richtig und wiekönnen Flecken entfernt werden?
Tapeten brauchen keine spezielle Pflege, man sollte nur Kratzer und Schrammen vermeiden, weil diese nicht einfach übermalt werden können. Flecken können mit einem leicht angefeuchteten Tuch durch vorsichtiges Tupfen entfernt werden, nur bitte nicht reiben, das löst sonst die Farbe ab. Sollte beim Tapezieren etwas Kleister zwischen den Bahnen hervortreten, einfach mit einem glatten Spachtel vorsichtig abziehen.

 

Wie unterscheidet sich die Qualität Ihrer Tapeten von herkömmlichen?
Wir verwenden hochwertiges, dickes Papier, das aus FSC- oder PEFC-zertifizierten nachhaltigen Wäldern stammt. Ausserdem bieten wir einen Farbservice zu unseren Tapeten an und empfehlen eine Auswahl von drei komplementären Farbtönen für jedes Design. Dies hilft unseren Kundinnen und Kunden, ein koor­diniertes Schema in ihrem Haus zu schaffen und Farben und Tapeten mit Leichtigkeit zu kombinieren.

 

Die Produktion
Ursprünglich wurden Tapeten im Blockdruckverfahren hergestellt, d.h. mit einer Reihe von schweren Holzklötzen, die in Farbe getaucht und auf die Papieroberfläche gepresst wurden, um den Musterrapport zu erzeugen. Dieses Verfahren hinterlässt einzigartige Farbverläufe, die sich auf dem Papier abheben und vermischen.

Das dem Blockdruck am nächsten kommende Verfahren ist heute der Oberflächendruck, bei dem die Farbe mit Walzen auf das Papier gedrückt wird. Das Endergebnis ist dem des Blockdrucks sehr ähnlich, wobei eine intensive malerische Textur erhalten bleibt und ein handwerkliches Finish erzielt wird.

Die Tapeten von Little Greene werden im Oberflächendruck hergestellt mit einer Maschine (Bild 1), die in den 1830er-Jahren in Betrieb genommen wurde. Mit ihr können bis zu 12 Farben auf eine Vielzahl von Untergründen aufgebracht werden. Vliestapeten (Bild 2) sind das bevorzugte Material von Little Greene, denn sie lassen sich leichter anbringen sowie auch ablösen und das Produkt ist haltbarer als herkömmliche Papiertapeten. Für den Druck wird Tinte (Bild 3) in den gleichen Tönen wie die Wandfarben von Little Greene verwendet.

(Visited 180 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema