Kalifornisches Flair in Oberglatt

Der fliessende Übergang von innen nach aussen unterstreicht die lockere, gross­zügige Ausstrahlung dieses Holzhauses im Zürcher Unterland. Offenheit lebt die Bauherrschaft nicht nur im architektonischen Sinn.

Der grosse Luftraum, die offene Feuerstelle sowie die vielen Fenster schaffen ein angenehmes Wohngefühl.

Text Noémie Schwaller | Fotos Gebr. Eisenring AG, Philip Böni

Tamara und Christoph Schlatter mit ihren drei Kindern im Alter von fünf bis neun Jahren erhielten das Terrain im Erbvorbezug von Christoph Schlatters Eltern. Sein Vater führt ein Holzbaugeschäft, das nun in vierter Generation in den Händen von Christoph Schlatters Bruder liegt. Das flache Bauland grenzt an das Firmenareal in Oberglatt. «Deshalb wurde es ein Holzhaus. Wir brauchten Platz für die drei Kinder, und diese Lage bot sich an. Es handelt sich um 500 bis 600 m² mit viel Wald dahinter und einer Häuserzeile dazwischen», beschreibt der Bauherr die Situa­tion. Vor dem Haus erstreckt sich eine grosse Wiese. Wenn die Büsche ihre mittlere Höhe erreicht haben, entsteht der Eindruck von einem direkten Anschluss an den Wald. Die Idee war, rundherum auf leichten Niveaus mit viel Grün zu arbeiten und durch die grossen Fenster die Natur nach innen zu holen. «Diese Stimmung war uns wichtig, wir haben das auf Reisen durch Kalifornien und auf ­Hawaii entdeckt. Dort gefielen uns die Häuser: die Surf-Shacks mit ihrer legeren Eleganz der Architektur. Bücher mit Mid-Century-Geschichten beeinflussten uns ebenfalls», betont Christoph Schlatter und präzisiert weiter: «Es ging darum, ein Haus zu bauen, das unsere Ansprüche ans Leben erfüllt: grosszügig, locker, für den Gebrauch. Kein Standardhaus, wie man es sonst in der Schweiz bauen würde. Kein klassisches Einfamilienhaus. Wir suchten das Gegenteil von einem viereckigen, weissen Einfamilienhaus, denn wir wehren uns gegen das klassische Familienbild. Deshalb wollten wir ein unkonventionelles Haus.» In Kalifornien findet das Leben draussen statt wie bei der Bauherrschafts­familie mit ihren Kindern. Der Zugang über die Verandas, das Verbindende zwischen Äusserem ins Innerem, betont das zusätzlich.

Es war klar, dass es ein Holzhaus sein musste, befindet sich das Grundstück doch unmittelbar neben dem Holzbauunternehmen der Familie.

Ein Gespräch mit Christoph Schlatters Cousin, der Architekt ist, führte zum Kontakt mit dessen Berufskollege Oswald Irniger, der, wie sich herausstellte, einen ähnlichen Hintergrund wie der Bauherr hat und ähnliche Interessen wie Snowboarden und Surfen pflegt. «Spannend empfand ich den intensiven Gestaltungsprozess mit den diversen Ansätzen der beiden Architekten», sagt Christoph Schlatter, «denn ich arbeite selbst im Designbereich, es interessierte mich also. Tamara und ich haben in der Planungsphase 2016 viel mitgezeichnet und entworfen.» Seine Frau und er stellten ein Architektenbriefing mit vielen gesammelten Bild­ern von Häusern und Details aus den 1960er-Jahren zusammen. Wichtig war ihnen, was alles in den Räumen möglich sein soll: Atelierplatz, Gäste beherbergen, malen und spielen. In puncto Architektur haben sie sich während des Prozesses weiterentwickelt, die Ansprüche an das Wohnhaus blieben aber immer gleich. «Das machen wohl alle durch», meint ­Christoph Schlatter, «man beginnt mit bestimmten Vorstellungen in vielen Themenfeldern, mit denen man sich vorher noch nie beschäftigt hat. Zum Beispiel, was einem an Oberflächen gefällt.»

Eine fantasievolle Ausgestaltung
Das Resultat ist ein grosszügiges, versatiles und verwinkeltes Haus, das viele Varianten der Nutzung bietet. Der spezielle Grundriss inT-Form schuf nicht nur die Voraussetzung für die obere Terrasse, sondern ermöglichte weitere offene Bereiche sowie Rückzugsorte – insgesamt eine fantasievolle Ausgestaltung des Platzes. Obwohl der Neubau ein Holzbau ist, besteht das Untergeschoss mit Carport, Keller und Fundament aus Beton. Der ganze Sockel ist mit einem Anhydritboden ausgestattet, geschliffen wie gegossener Stein. Eine durchgehende Sichtbetonmauer ­erstreckt sich bis ins obere Badezimmer, sie dient als verbindendes Tragelement zwischen dem unteren Steinboden und dem oberen Holzbau, wo sich das Naturmaterial mit Holzboden und gestrichenen Holzfenstern fortsetzt.

Die rote Wendeltreppe nimmt die Farbe des Bodens auf und erzeugt ­einen spannungsreichen Kontrast zum warmen Holz und kühlen Beton.

Das Naturmaterial forderte allerdings seinen Tribut. «Ein Holzbau kann trügerisch sein, weil viele versteckte Kosten dazukommenkönnen», beschreibt Christoph ­Schlatter die bau­lichen Herausforderungen. Das Material an sich mag nicht teuer sein, aber die Energie­bestimmungen veränderten die Rechnung markant, denn der Wandaufbau ist aufwendig. «Ein Holzhaus ist energietechnisch komplex, denn im Sommer heizt es schnell auf, im Winter kühlt es schnell ab, es hat Pavillon­charakter. Gemäss kantonalen Auf­lagen muss es einen guten Energiehaushalt haben, also sind unsere Wände für eine massive Isolation mit drei Schichten Gips verbaut», sagt der Bauherr und ergänzt: «Im Nachhinein würde ich gewisse Sachen vermutlich kleiner machen. Aber meine Familie und ich sind sehr glücklich mit dem Resultat und bereuen die Mehrkosten überhaupt nicht.»

Dieser Korridor im Erdgeschoss ­erschliesst das Gästezimmer mit eigenem Bad.

Durchdachte Infrastruktur mit griffigen Details
Tatsächlich ist das Haus grosszügig gebaut, der Luftraum im Wohnzimmer ist gross und weit. Zusammen mit der Decke aus Holz und der offenen Feuerstelle ergibt das ein schönes Wohngefühl. In der oberen Etage befinden sich drei einzeln begehbare Kinderzimmer, die mit Schiebetüren verbunden sind. Der Gedanke dazu: «Etwas Fliessendes, das Veränderungen mitmacht: Sollte ein Kind ausziehen, kann ein grösserer Raum gestaltet werden», erklärt Christoph Schlatter. Die Bauherrschaft wollte zudem keine frei stehenden Schränke. Bei den Bubenzimmern steht gegenüber den Einbauschränken mit weissen Griffen, die von den Eltern mitgestaltet wurden, ein langer schwarzer Linoleumtisch. Generell zählen Griffe zu den vielen Details, auf die ein spe­zielles Augenmerk gelegt wurde. Die Tür- und Fenstergriffe stammen vom Modernisten ­Ferdinand Kramer. Die Bauhaus-Klassiker kommen hier in verchromter, bei der Hebeschiebetür in grosser Ausführung vor.

Der verwinkelte Grundriss zoniert die offenen Bereiche des Wohnraums, so auch die Küche. Der direkte Zugang zur Terrasse ist dabei gewährleistet. 7 | Die Komposition der Farben, Formen und Materia­lien kreiert durchgehend eine lockere Atmosphäre, was ebenso im Obergeschoss zu sehen ist, wo sich die Kinderzimmer befinden.

Die Technik versuchte die Bauherrschaft, so minimal wie möglich zu halten, wie ­Christoph Schlatter beschreibt: «Das Gegenteil moderner Haustechnik. Bei uns wird nichts übers Smartphone gesteuert.» Einzig die Stoffstoren sind über ein Bedienelement elektrisch steuerbar, schaffen unterschiedliche Licht­situationen und unterstreichen den sommerlichen Look der Liegenschaft. Schönes und warmes Licht geben überdies die lose montierten Glühbirnen in Keramikfassungen in Verbindung mit dem Holz. Im überhohen Wohn­bereich hängen Japanlampen in grösstmöglicher Ausführung, während im Bad der Bambus vor dem Fenster unterschiedliche Licht­situationen schafft, das vor allem am Morgen. Alle Bäder sind in Holz gehalten und beruhen auf einem speziellen Konzept aus der Farbpalette von Le Corbusier. Von der Farbkarte mit der optimalen Zusammenstellung von erdigen, sandigen Tönen des schweizerisch-französischen Archi­tekten hat sich die Bauherrschaft mithilfe harmonischer Farbkombinationen inspirieren lassen und sich für die Farbklaviatur «Sand 2» von 1931 entschieden. Die Wärme des Holzbodens und der Fensterrahmen wird nun von einem leichten Blau gebrochen. Ausserdem sind die Einbauschränke in den Kinderzimmern und im Elternschlafzimmer in diesen Farben gehalten. Weiter findet sich das Spiel von sandigen Tönen und frischen Himmelfarben auf Einbauschränken und der Schiebetür im grossen Reduit in der Küche sowie auf den Fensterrahmen.

Der Eingangsbereich ist dank der Auskragung des Obergeschosses überdacht und schafft auf dieser Seite einen geschützten Aussenraum.

Wandelbarkeit als Konzept
Farben, Materialien und Formen geben dem Haus seine lockere und einladende Ausstrahlung. Dass sich hier alle wohlfühlen, ist der Bauherrschaft wichtig: «Früher haben wir stadtnah in Wollishofen gewohnt und viele Sommerfeste gefeiert», erzählt Christoph Schlatter und ergänzt schmunzelnd: «Damit die Leute auch nach dem Umzug 2019 weiterhin zu uns kommen, haben wir nun ein Gästezimmer mit eigenem Bad.» Über das ganze Jahr 2021 hat ein befreundetes Paar samt Hund dort gewohnt, das Einfamilienhaus wurde zur Wohngemeinschaft. «Diese Offenheit macht das Haus aus. Es ist ein Raum, in dem vieles möglich ist. Es ist eine Lebensreise. Wer weiss, was hier noch alles erlebt wird, welche Formen des Zusammen­lebens noch kommen», sinniert Christoph Schlatter nicht ohne Vorfreude.

TECHNISCHE ANGABEN

[ ARCHITEKTUR ]
Oswald Irniger Architekten, oswald-architekten.ch

[ KONSTRUKTION ]
Kellergeschoss in Stahlbeton, Erd- und Obergeschoss in Holzbauweise | Schrägdach | Fassade: vertikale Holzschalung mit Deckleisten in Lärche

[ Raumangebot ]
Bruttowohnfläche: 245 m² | Anzahl Zimmer: 7,5

[ Ausbau ]
Wandbeläge: Täfer und Weissputz | Boden­beläge: Anhydrit eingefärbt, Feinsteinzeugmosaik, Riemenboden Fichte | Decken: Weissputz gestrichen, Täfer Fichte | Fenster: Holzfenster mit IV-Verglasung

[ Technik ]
Erdsonden-Wärmepumpe | Cheminée mit ­offener Feuerstelle | kontrollierte Wohnraumlüftung und motorisierte Kippflügel in den Schlafzimmern

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