Hübsche kleine Farm

Natur und Tiere spielen auf diesem Areal die Hauptrolle–der einzeilige Neubau schützt seine Bewohner zur Strasse hin und bietet auf der anderen Seite weite Freiheit und einen Lebensalltag mitten im wilden Garten.

Nach Süden öffnet sich der eingeschossige Neubau. Er fügt sich mit seiner Fassade aus vorvergrauten, sägerohen und lasierten Fichtenlamellen gut in die ländliche Umgebung ein.
Links von der Küche haben die Hausbewohner einen schwarzen Linoleumesstisch, umrundet von acht Stühlen in gleicher Farbe, platziert.

Der Nebel hängt in den gelblich-roten und grünen Baumkronen, dennoch ist der Blick auf die Stadt Baden im Tal unten frei. Bei Sonnenschein sieht man vom Weiler bei Kirchdorf in den Aargauer Hügeln bis zum Vrenelisgärtli in den Schwyzer Alpen und zum Tödi, dem höchsten Gipfel der Glarner Alpen.

Begrüsst wird der Besucher von einem heimeligen Hof, umrahmt von einer Linde und einem überdachten Carport. Das einzeilige Holzhaus sinkt entlang dem Hügel ins Erdreich. Mit seiner vorvergrauten, sägerohen, lasierten Fichtenlattung verrät der Neubau, jüngeren Datums zu sein. Der Hauseingang besteht aus einem der Fassade vorgelagerten Stahlrechteck. Vor der Tür fallen dem Ankommenden die silbernen Buchstabenskulpturen S und F auf. Sie stehen für die Initialen der Hausbewohner. Aufgrund des verglasten Eingangsbereichs sieht der Hausherr die Gäste schon vor dem Klingeln, und der Besucher schaut durch das Haus hindurch direkt in einen weitläufigen Garten. Beim Öffnen der Haustür bemerkt man zuerst den lehmfarbigen Naturofloor-Gussboden, die hellen Holzwände und die schwarzen Einbauten. Der für einen Moment länger verweilende Blick auf den Boden bleibt dem Hausherrn nicht verborgen. «Wohl etwas vom Teuersten an unserem Haus», sagt Fabiano Calcò, der zusammen mit seinem Partner Samuel Conrad hier zu Hause ist. Sie bewohnen das Gebäude als Mieter, Bauherren waren die Eltern seines Partners. Die Schwiegereltern in spe konnten das 2500 Quadratmeter grosse Grundstück im Zuge einer Versteigerung erwerben. Dass der Bau aus der Feder der Architekten Zulauf & Schmidlin in Zusammenarbeit mit der mit dem Hausherrn verwandten Firma Conrad Holzbau gestaltet werden sollte, war ihre einzige Vorgabe.

Ein harmonisches Familienprojekt

«Menschlich stimmte die Bindung mit allen Beteiligten», nennt Fabiano Calcò einen der Vorteile des Familienprojekts. Dass es beim Bauprojekt schliesslich nur einen Monat Verzögerung gab, beweist die gute und gelungene Zusammenarbeit. Er erklärt: «Da wir uns im Verlauf des Hausbaus für einen fugenlosen Gussboden entschieden, der zwei Wochen trocknen musste, kam es sogar zu einem kurzen Arbeitsstillstand.» Die grösste Herausforderung beim Hausbau sei das Baubewilligungsverfahren gewesen, das von der Ortsbildkommission erschwert worden sei, so Fabiano Calcò: «Beim behördlichen Hin und Her kam uns die Bauerfahrung der Eltern meines Partners sehr zugute.» Neben der Unterstützung der Schwiegereltern aber hätten Fabiano Calcò und sein Partner massgeblich Wünsche und Anforderungen an das Haus formuliert. Als pragmatisch und unkompliziert beschreibt er ihre gemeinsamen Vorstellungen vom zukünftigen Eigenheim: «Wegen der Holzverkleidung sollte das Haus ohne Vordach auskommen und aufgrund der Tiere den Anforderungen eines modernen Bauernhauses gerecht werden.» Denn die Hausbewohner teilen sich ihr Zuhause mit einer Vielzahl von Zwei-und Vierbeinern: Neben einer Hühnerschar wohnen zwei Gänse, zwei Katzen, ein Hund und zahlreiche Schildkröten auf dem Areal. Der Hühnerstall ist im Haus integriert und von aussen nicht direkt als solcher erkennbar. Erst beim Rundgang durch den grossen Garten bemerkt man den kleinen Eingang mit Trittleiter für die Hühner. Unter dem Hühnerstall befindet sich ein weiterer Raum, der derzeit Gartenwerkzeuge und den Grill beherbergt. «Im Winter sind hier unsere Schafe zu Hause. Derzeit sind sie auf diversen Weiden in der Region», sagt Fabiano Calcò.

Gemütlich und geschmackvoll hat der Bauherr die Sofaecke im südlichen Teil des Erdgeschosses eingerichtet. Das Cheminée vermittelt zusätzlich Geborgenheit.
Clevere Raumnutzung: Samtene Klappstühle verraten, dass der Korridor auch als Heimkino genutzt wird.

Viel Leidenschaft unter einem Dach

Hinter dem modernen Holzbau erstreckt sich eine grosse Wiese mit verschiedenen Obstbäumen und einem rechteckig angelegten, mit einem Staketenzaun umfassten Blumen-und Gemüsegarten. Ein ehemaliges Güllenloch schmückt heute als Seerosenteich den grossflächigen Garten. Die lang gezogene Grünfläche verläuft südöstlich in Richtung Baden und geht am Ende in eine Landwirtschaftszone über. «Um Blumen und Tiere kümmert sich mein Partner, ich bin für das Gemüse, das Kochen und die Einrichtung zuständig», erklärt der Hausherr die unterschiedlichen Leidenschaften, die diesem Haus Persönlichkeit geben. Für die Gestaltung des Wildgartens haben sie einen Gartenarchitekten beauftragt, der thematisch auf Regionalität und Biodiversität spezialisiert ist. Neben dem Gemüsegarten nennt Fabiano Calcò die ausladende Kochinsel als seinen Lieblingsort.

All das erzählt er dort stehend–in der Mitte des offenen Wohnzimmers, das sich im Erdgeschoss über die gesamte Länge des Hauses erstreckt und durch eine ebenso lange Fensterfront von der Terrasse mit Holzboden getrennt ist. Durch die Gliederung der Fenster in insgesamt vier Schiebetürelemente lässt sich der Wohnraum bei höheren Temperaturen nahtlos in den wilden Garten erweitern. Die im Herzen des Hauses gelegene Küche mit der einen Meter tiefen Kochinsel, die eine Arbeitsfläche aus Keramik in Betonoptik trägt, setzt ein Statement, das für Modernität und Praktikabilität steht. Die technisch hochstehenden Küchengeräte zeugen von Kochleidenschaft. Schränke aus schwarzer mitteldichter Holzfaserplatte bieten viel Stauraum. Über der Kochinsel erhebt sich der Raum bis in den Giebel des Satteldachs. Durch die galerieartige Komposition wirkt dieser Raumteil grosszügig und durch die helle Holzverkleidung der Decke behaglich. Beim Blick zur Dachschräge hinauf fällt die zentral über der Kochinsel verlaufende LED-Lichtschiene auf. «Wir haben bei der Beleuchtung im Haus auf LED-Bänder in Küche und Bad, auf Spots in den Korridoren und auf Steh-sowie Hängelampen in den Wohnbereichen gesetzt», fasst der Hausherr das Lichtkonzept zusammen. Rechts und links der Kochlandschaft verläuft die Holzdecke aus heller Fichte etwas tiefer. Mit Blick zum Garten befindet sich rechts der Küche der Wohnbereich. Dieser ist mit geerbten Biedermeiermöbeln und einem zeitgenössischen Samtsofa eingerichtet und durch ein schwarzes Einbauregal mit integriertem Stahlcheminée zoniert. Links der Küche ist der Essbereich ebenso von einem eingebauten Wandregal gerahmt. Alle Einbauten sind handgefertigt und stammen von der Schreinerei Bündler aus dem freiämterischen Auw. Regale wie auch Küchenzeile schirmen die offenen Wohnzonen vom dahinterliegenden Korridor ab, der vom Tages-WC zum hölzernen Treppenhaus, zur Haustür und zur Garderobe führt. Das bodentiefe Fenster dort und das Fenster des Tages-WCs sind von aussen nicht sichtbar, weil die Fichtenlattung der Fassade keine Ausschnitte aufweist. Innen erzeugen die durch die Verstrebungen dringenden Sonnenstrahlen ein anmutiges Schattenspiel.

Schlicht und einfallsreich

Im Obergeschoss gelangt man am Ende der Treppe zum Gästebad, das mit rosarot-grauen Naturofloor-Wänden den Besucher kokonartig umarmt. Auch hier ist das Fenster durch das Fassadengitter aus Fichte geschützt. Den modernen Look betont der Waschtisch, der die Materialien der Küche aufnimmt: Fronten aus schwarzer mitteldichter Holzfaserplatte, Abdeckung und Lavabo aus Keramik in Betonoptik. Alle drei Badezimmer im Haus sind gleich konzipiert. An das Bad angrenzend liegt das Gästezimmer. Im Korridor, der als Galerie den Blick auf die gegenüberliegende Dachinnenseite und nach unten auf die Kochinsel freigibt, sorgen vier alte und mit rotem Samt bezogene Kinostühle für einen Blickfang. «Herzlich willkommen in unserem Heimkino», sagt der Hausherr. Mit einem Projektor wandelt sich dieser Hausteil regelmässig zum Fernsehraum. Eine äusserst kreative Art, Durchgangszonen in Nutzzonen umzuwandeln. Am Ende dieses Korridors befindet sich schliesslich das Masterschlafzimmer Die Kopfwand des Bettes ist mit einem floralen Wandteppich geschmückt und trennt den Schlafbereich von der begehbaren Ankleide. Von dort aus geht es weiter zum Bad en Suite, das mit seinen azurblauen Wänden den Eintretenden in eine lichtdurchflutete Grotte versetzt.

Insgesamt wirkt das 130 Quadratmeter kompakte Haus grösser als es tatsächlich ist. Dafür sorgen das schlauchförmige Areal zum Tal hin und die grosszügige Verglasung des Hauses. Der Ausblick wird von den Glasfronten im Erdgeschoss ebenso wie im Obergeschoss klar ins Zentrum gerückt. Verschlossen und privat wirkt das Haus lediglich von der Einfahrt her. Diese Strenge aber wird vom umliegenden Pflanzenmeer aufgebrochen, das Ankommende freundlich willkommen heisst und Aufbrechende sanft von der kleinen Farm wieder in die nahe gelegene Urbanität hinausbegleitet.

Die Verglasung neben der Eingangstür lässt durch das Haus zum gegenüberliegenden Land blicken.
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