Atypisch in Ayent

Virginie und Alexandre Cusin bauten für sich und ihre zwei Kinder im Wallis ein Haus, das vom kalifornischen Wohnstil inspiriert ist. Architektin Sophie Morard half ihnen, ihren Traum zu erfüllen.

Wichtig sei ihr das Innere eines Hauses, betont Virginie Cusin, die in Ayent, einem Dorf im Wallis, das etwas höher liegt, von ihrer Mutter ein dafür ideales Gelände geerbt hat. An diesem Ort, wo sie selbst aufgewachsen ist, bevor sie die weite Welt entdeckte, wollte sie sich niederlassen. Effektiv erhielten Virginie Cusin und ihr jüngerer Bruder von ihrer Mutter je ein 1000 m² grosses ebenes Gelände, das Teil der ursprünglich 15000 m² grossen Erdbeerplantage war, die ihr Vater früher bewirtschaftete.

In ihrer Vorstellung wollten die Cusins einen kalifornischen Wohnstil verwirklichen: ein ebenerdiges Haus ohne Treppen und das vor den Blicken der Nachbarn schützt, aber mit viel Tageslicht, welches das Wohnen drinnen wie draussen möglich macht.

Ebenerdig und unbeschwert

Die Architektin war schnell gefunden. Sophie Morard ist wie Virginie Cusin hier in Ayent aufgewachsen, die beiden Frauen kennen sich von Kindesbeinen an und haben schon ein anderes Projekt zusammen verwirklicht. Sophie Morard ist auf Luxusvillen spezialisiert und vor allem in den Bergen aktiv, wo sie für vermögende Klienten Wohnträume verwirklicht und häufig ebenfalls die Inneneinrichtung mitgestaltet. Das Projekt von Virginie Cusin gefiel ihr vor allem deswegen, weil es auf einem Plateau liegt, während die meisten ihrer Häuser am Hang gebaut sind. So präsentierte sie der Bauherrschaft gleich drei verschiedene liebevoll zusammengestellte Vorschläge, zwei davon auf mehreren und das dritte Projekt auf einer einzigen Etage ohne Unterkellerung, jedoch mit einem Patio in der Mitte des Hauses. Letzteres gefiel Virginie Cusin auch wegen der Bequemlichkeit. «Wenn ich müde mit den Einkäufen nach Hause komme, kann ich einfach in der Küche schnell alles abladen und brauche nicht mühsam Treppen zu steigen», sagt die Berufsfrau und Mutter zweier Primarschüler strahlend.

Das Pultdach hat in der Küche zwei positive Effekte: Die Dachschräge vergrössert die Raum höhe, und die Holzdecke sorgt für ein heimeliges Ambiente.

Abgelegen ist das Grundstück, trotzdem ist es idyllisch für eine Familie. Die beiden Kinder gehen zu Fuss auf einem kleinen Weg durch den Wald in traumhafter Landschaft bis zur Busstation, wo sie der Schulbus abgeholt und wieder zurückbringt. Hinter dem Haus befindet sich das noch unbebaute Gelände des Bruders, das die Kinder als Spielplatz nutzen und wo die Eltern für sie ein Schwimmbecken und eine Spielhütte installiert haben.

Ein glanzvolles Inneres

In diesem Teil von Ayent wurden die Häuser etwas zusammengewürfelt, und so gliedert sich auch dieser Neubau in die HäuserLandschaft ein. Der Baukörper wirkt, als habe man Hausteile zusammen gepflastert. Die verkehrte Dachschräge und die Aluminiumfassade verstärken diesen Eindruck.

Die von aussen ungewöhnliche Form wirkt sich positiv auf das Raumgefühl im Hausinneren aus. Vom Eingang führt ein Korridor mit Garderobe in die Küche. Bereits hier erblickt man durch eine grosse Fensterfront den Patio, einen grossen Innenhof, der das Herz des Hauses bildet und wo sich die Familie im Sommer wie in den Übergangszeiten gern aufhält. Das zur Küche offene Wohnzimmer empfängt von drei Seiten Licht, sowohl durch die Glasfront zum Patio als auch über die geschosshohe Verglasung Richtung Südseite respektive Vorderseite des Hauses. Grossen Wert legte die lärmempfindliche Bauherrin auf die Akustik im Wohnzimmer, dessen Lampen mit speziellen akustischen Filzen bezogen sind. Die Tür zum Gang, der zu den Kinderzimmern führt, lässt sich schliessen, sodass im Wohnzimmer weder Kinderlärm noch umgekehrt in den Kinderzimmern Stimmen von Besuchern zu hören sind.

Die Kinderzimmer sind bewusst klein gehalten, da sich die Kinder im ganzen Haus aufhalten und zudem das Wohnzimmer beanspruchen. Die Nordseite wird vom Elternschlafzimmer belegt, auch hier schweift der Blick aus den Gemächern durch eine Glasfront auf den Patio. Das Elternschlafzimmer mit separater Terrasse ist für Virginie Cusin überdies ein Ort des Rückzugs, wo sie in Ruhe ein Buch lesen und sich vom Familien und Arbeitsstress erholen kann. Die vier Zimmer und das Wohnzimmers gliedern sich somit um den Patio. Im Innenhof wurde eine zweite Küche installiert, die im Sommer gern an lauschigen Grillabenden genutzt wird.

«Wenn ich müde mit den Einkäufen nach Hause komme, kann ich einfach in der Küche schnell alles abladen und brauche nicht mühsam Treppen zu steigen».

Das Elternbad besticht durch eine alte Werkbank als Wasch ­ tisch.
Der Eltern- bereich profitiert ebenso von den Vorzügen des Pultdachs. So wirkt das Schlafzimmer durch die hohe Decke gross- zügig, und es entstand Platz für Fenster auf zwei Seiten des Raums. Abends wird der natürliche Lichtfluss durch das LED Band in künstliches Licht übersetzt.

Für die Architektin Sophie Morard bestand die Herausforderung dieses Projekts darin, für einmal ein ebenerdiges Haus ohne vertikale Zirkulation zu bauen. Sie setzte den Akzent von Natur aus eher auf die darin lebenden Bewohner denn auf das Äußere, wie sie selbst betont. Ihre Vision konzentriert sich deshalb auf das Interieur. Die verschiedenen Volumen wie die beiden schrägen Dachteile sind ein Resultat dessen. «Die Idee war es, einen gemeinsamen Flügel sowie einen privaten Flügel für die Eltern zu haben. Dazwischen liegen die Kinderzimmer», erklärt Sophie Morard die spezielle Raumaufteilung. Das ganze Haus ist auf den Innenhof als Herzstück ausgerichtet, und so wurde eine größere Zimmerhöhe geschaffen. Die geschosshohen Schiebefenster auf der Südseite geben die Sicht frei auf die Walliser Alpenkette. Der Sitzplatz erlaubt es der Familie, auch dort Zeit an der frischen Luft zu verbringen.

Sophie Morard ist vor allem hinsichtlich der Durchgänge im Haus mit ihrer Arbeit zufrieden. Das bestätigt außerdem Virginie Cusin mit ihrer Antwort auf die Frage, welcher Raum denn ihr Lieblingsraum sei. «Ich fühle mich je nach Jahreszeit und Sonneneinstrahlung in jeder Ecke des Hauses wohl. Im Sommer sind wir meist im Innenhof, in der Übergangszeit vor dem Haus.» Abends sei die Terrasse der beste Ort, um den wundervollen Sonnenuntergang zu bestaunen.

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