Welche Modelle gibt es für das Architektenhonorar?

Wenn ich morgens unter der Dusche über die rechtlichen Probleme meiner Klienten nachdenke, dann stelle ich ihnen diese Zeit nicht in Rechnung. Das, obschon wir im Mandatsvertrag vereinbart haben, dass das Honorar auf der Basis der effektiv aufgewendeten Zeit berechnet wird.

Text Thomas Spoerri

Anwälte werden, wie Architekten, Ingenieure oder Berufsleute in beratenden Branchen, für die Erbringung von geistiger Arbeit bezahlt. Für die Leistung von Denkarbeit ist die Anwesenheit im Büro nicht erforderlich. Oft kommt die zündende Idee gerade nicht dann, wenn man am Schreibtisch sitzt und an­gestrengt über mögliche Problemlösungen nachdenkt, sondern beim Spaziergang im Grünen, in der Mittagspause oder auf dem Arbeitsweg, wenn die Problembearbeitung im Hinterkopf weiterläuft.

Die phasenweise Beauftragung ist sinnvoll
Die Vereinbarung eines angemessenen Honorars für die intellektuelle Leistung des Architekten oder der Architektin ist eine schwierige Aufgabe. Beim Beginn der Zusammenarbeit wissen die Parteien oft noch nicht, wohin der Weg sie führen wird. Werden die ersten Vor­projektskizzen den Geschmack der Bauherrschaft treffen?

Gäbe es andere, passendere ­Lösungen? Falls das Bauprojekt bei der Bauherrschaft Gefallen findet: Ist der Architekt, der den Entwurf verfasst hat, auch der richtige Partner für die Realisierung? Die Frageliste liesse sich beliebig verlängern.

Ein sinnvolles Vorgehen kann darin bestehen, dass die Bauherrschaft und der Architekt die Zusammenarbeit zunächst für die ersten Phasen, zum Beispiel bis Ende Vorprojekt oder bis und mit Baubewilligung, vertraglich regeln und sich das weitere Vorgehen danach offenhalten. Dabei wird die Honorierung des Architekten entweder nach dem effektiven Zeitaufwand oder nach den mutmasslichen Baukosten bestimmt («Prozenthonorar»), oder es kann ein Festpreis vereinbart werden. Diese Ver­gütungsmodelle kommen auch für die Phase der Realisierung zur Anwendung

Honorar nach Zeitaufwand, Baukosten oder Festpreis?
Die Honorierung nach dem effektiven Zeitaufwand kann aus Sicht der Bauherrschaft unbefriedigend sein, weil dadurch bei den Planenden kein Anreiz für eine effiziente Arbeitsweise geschaffen wird. Dem kann mit der Vereinbarung über ein Kostendach entgegengewirkt werden. Die Honorierung nach den mutmasslichen Baukosten ist ebenfalls problembehaftet. Es trifft nicht ohne Weiteres zu, dass höhere Baukosten einen grösseren Aufwand für die ­Planenden mit sich bringen und deshalb ein höheres Honorar ­gerechtfertigt wäre, wobei die Vermutung natürlich andersherum (geringere Baukosten gleich geringerer Aufwand für die Planenden) ebenso wenig zutrifft. Zu entscheiden ist zudem, ob auf die Baukosten gemäss Kostenvoranschlag oder auf die tatsächlichen Baukosten abgestellt werden soll – ein schwieriger Entscheid, der gut überlegt sein will. Die Vereinbarung eines Festpreises (Pauschalpreis oder Globalpreis) setzt eine Schätzung der voraussichtlich für das Projekt aufgewendeten Stunden voraus. Dabei trägt der Architekt das Risiko, dass die Planung mehr Aufwand verursacht, als bei der Bestimmung des Festpreises geschätzt wird.

Auf den Leistungsbeschrieb kommt es an
Die Bauherrschaft muss sich ­darüber bewusst sein, dass das Honorar nur ein Kriterium von mehreren ist. Ebenso wichtig ist einerseits die Qualität der Planerleistung und andererseits die Frage, welche Leistungen zum vereinbarten Honorar geschuldet sind. Die Umschreibung der geschuldeten Planerleistung ist mindestens so anspruchsvoll wie das Finden des passenden Vergütungsmodells. Dabei können die Leistungs- und Honorarordnungen des SIA (LHO) eine Hilfe sein. Sie unterscheiden zwischen Grundleistungen und Zusatzleistungen. Damit wird für den Baulaien erkennbar, welche Planerleistungen es üblicherweise braucht und welche Leistungen der Architekt nur auf besondere Anforderung und gegen zusätz­liches Entgelt erbringt.

Ein möglichst ausgereiftes Projekt und ein projektbezogen angepasster Leistungsbeschrieb können bewirken, dass keine Zusatzleistungen des Architekten nötig werden, die separat zu ­honorieren sind. Alle absehbaren Leistungen des Architekten werden somit in der Grundleistung eingeschlossen. Für nicht vorhersehbare Zusatzleistungen ist zu empfehlen, dass im Architektenvertrag eine Klausel aufgenommen wird, wonach Zusatzleistungen nur honoriert werden, wenn der ungefähre kostenmässige Aufwand vor Beginn schriftlich vereinbart wurde.

« Die Honorierung nach dem effektiven Zeitaufwand kann aus Sicht der Bauherrschaft unbefriedigend sein. »

Neue Value-App als Kalkulationshilfe
Auf Druck der Wettbewerbskommission musste der SIA in den LHO 2020 ganz auf das Zeitaufwandmodell verzichten, eine Kalkulation des durchschnittlichen Stundenaufwands für ein Projekt, basierend auf den Baukosten. Obschon es vom SIA aus den Formularverträgen gekippt wurde, wird das Zeitaufwandmodell in der Praxis noch regelmässig verwendet, weil es offenbar ­einem Bedürfnis entspricht.

Der SIA arbeitet derzeit an einem neuen Instrument zur ­Kalkulation der Planerleistungen, einer sogenannten Value-App. Sie soll eine einfache und transparente Aufwandschätzung ermöglichen und die notwendigen Entscheide aufzeigen, die Planende zur Bewertung ihrer intellektuellen Dienstleistung benötigen. Die Applikation ist eine von vier Ersatzmassnahmen, die der SIA seinen Mitgliedern für die weggefallene Honorarkalkula­tionsformel der LHO bieten will. Man darf gespannt sein.

Thomas Spoerri,
lic. iur., Fachanwalt SAV Bau- und Immobilienrecht,Partner Vialex Rechts-anwälte AG, Zürich
vialex.ch

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