Tipps vom Profi: «Wandgestaltung braucht Mut»

Die Wand umfasst meist eine grössere Fläche als der Boden in einem Haus, entsprechend gross ist ihr Einfluss auf die Raumatmosphäre.

Tipps vom Profi: «Wandgestaltung braucht Mut»
Niedrige Räume wirken mit vertikalen Streifen – in Form von Tapete oder Farbe – optisch höher.
Interview Lina Giusto | Fotos Bernasconi Boden Decken Wände
Die Wand umfasst meist eine grössere Fläche als der Boden in einem Haus, entsprechend gross ist ihr Einfluss auf die Raumatmosphäre. Reto Bernasconi, Inhaber der Firma Bernasconi Boden, Decken und Wände, erklärt im Gespräch, worauf beim Gipsen, Bemalen und Bemustern von Wänden zu achten ist, damit sie einen positiven Effekt erzielen.
Reto Bernasconi, warum soll man Wände überhaupt gestalten?
Der Grund dafür liegt in der Aktualität des Themas. Viele Designer, Architekten und Innenarchitekten befassen sich intensiv mit der Wandgestaltung. Es gibt eine riesige Menge an Designs und Möglichkeiten. Das ist auch das Schöne und Spannende an diesem Thema. Es ist vom Gestaltungspotenzial her unendlich. Man kann mit jedem erdenklichen Material ganze oder auch nur Teile von Wänden gestalten. Auch individuell designte Tapeten sind heute möglich. Nur schon das vielfältige Spektrum spricht dafür, dass man unbedingt die eigenen vier Wände gestalten soll, und zwar immer wieder aufs Neue.Warum geht dann die Wandgestaltung so häufig vergessen?
In der Schweiz leben mehr Mieter als Eigentümer. In Mietwohnungen sind die Wände meist in Weiss gehalten. Wenn Mieter später dann doch noch Eigentümer werden, haben sie das Thema oft nicht präsent. Zudem braucht die aktive Wandgestaltung Mut, weil die Fülle der Dekorationsmöglichkeiten für Verunsicherung sorgt.

Welchen Tipp würden Sie Bauherren gern mit auf den Weg geben?
Bauherren sollten sich bewusst mit der Wandgestaltung auseinandersetzen. Immer mit dem Ziel, dass die Ästhetik und die Funktionalität der Wand und somit des Raums mit den angewandten Materialien übereinstimmen. Zudem sollten sich Bauherren nicht zu viele Gedanken über die Langlebigkeit der Wandgestaltung machen. Tapeten kann man ohne grösseren Zeit- und Kostenaufwand entfernen, wenn sie nicht mehr gefallen.

Wände umfassen beinahe die grösste Fläche im Haus: Welchen Einfluss hat ihre Gestaltung auf die Raumwirkung?
Die Gestaltung der Wand hat grösseren Einfluss auf das Raumambiente als die Bodengestaltung. Trotzdem wird dem Boden viel mehr Beachtung geschenkt. Bei den Wänden ist man zurückhaltend, weil die Wirkung der Gestaltung viel grösser ist. Darin liegt aber auch die Chance, die Atmosphäre im Raum tatsächlich beeinflussen zu können. Grafische Muster beispielsweise können einen Raum visuell komplett verändern. So wirkt ein niedriger Raum mit vertikalen Streifen – in Form von Tapete oder Farbe – höher oder bei horizontalen länger.

Welche Materialien kommen bei der Wandgestaltung hauptsächlich zum Einsatz?
Bei Gipsmaterialien wählt man glatt oder strukturiert, darauf folgt dann die Farbe. Neben diesen beiden Ausführungsmöglichkeiten gibt es Glasfaser-, Textil-, abwaschbare Vinyl- sowie atmungsaktive Vliestapeten auf Zellulosebasis, die zur Anwendung kommen. Es gibt auch Tapeten, die nicht als solche erkennbar sind. Das wäre beispielsweise die Rohfasertapete, die nach dem Anbringen übermalt wird. Bei Metalltapeten muss man sich eine Art Alufolie an der Wand vorstellen, die es auch bemustert gibt. Bei Tapeten geht es hauptsächlich um die innenarchitektonische Wirkung. Da sie in allen erdenklichen Farben, Mustern und Effekten bedruckt werden, lässt sich eine grosse Palette an unterschiedlichen Resultaten erzielen. Dieser Facettenreichtum ist mit Abrieb und Farbe allein nicht erreichbar.

Was macht Tapeten als Gestaltungsmittel so attraktiv?
Die Tapete hat eine Funktion. Zellulose, Glasvlies oder Textil sind die Trägermaterialien des tapezierten Wandbelags. Gerade heute, wo es um nachhaltiges Bauen geht, ist das Papier wohl eines der attraktivsten Materialien überhaupt. Es ist natürlich, atmungsaktiv und dampfdiffundierend. Im Sommer nimmt es Feuchtigkeit auf, im Winter gibt es welche ab. Papier an der Wand sorgt für ein gutes Wohnklima. Mit einem Wandbelag, der ökologisch unbedenklich und von der Baubiologie her hervorragend ist, kann man den Raum auf jede Art neutral gestalten. Die Akzentuierung folgt im zweiten Schritt. Diese setzt man, indem man gewisse Wände in Ruhe lässt, sprich Weiss oder nuanciert. Im Schlafzimmer beispielsweise eignet sich die Kopfwand des Bettes für farbliche, grafische oder florale Muster.

Was sind die Trends hinsichtlich Farben und Textur?
Derzeit sind Erdfarben gefragt, teilweise auch starke Farben. Pastelltöne sind nicht mehr so aktuell. Der Trend bei der Textur geht zum Relief. Beim Bedarf geht es in die Richtung textilähnlicher Oberflächen, die etwas aufgeworfen sind, eine gewisse Dreidimensionalität zeigen und auch etwas Körnigkeit vermitteln. Ganz glatt dagegen ist wieder aus der Mode gekommen.

«Derzeit sind Erdfarben im Trend, teilweise auch starke Farben.»
Reto Bernasconi, Vorsitzender der Geschäftsleitung Bernasconi Boden Decken Wände

Stichwort Wandteppich: Top oder Flop?
Klar ist, dass Bodenteppiche als Einzeldesignstücke derzeit wieder aufkommen. Bei den Wandteppichen dagegen ist mir nichts dergleichen bekannt. Solche Gestaltungsanwendungen sind eher eine Rarität.

Die Frage nach dem Huhn und dem Ei: Bestimmt der Nutzen eines Raums das Wandmaterial oder ist es umgekehrt?
Definitiv Ersteres. Der Raum bestimmt die Materialwahl, nicht nur hinsichtlich Ästhetik, sondern auch hinsichtlich Funktion. Wenn ein Raum mit Plattenboden ausgestattet ist, zudem viel Glas verbaut ist, dann sind glatte Wände einfach nicht sinnvoll. Hier braucht es eine Wand, die akustisch schluckt, beispielsweise mit Zellulosevlies oder mit textilem Material. Wenn der Raum sehr klein ist, muss er optisch vergrössert werden. Dann arbeiten wir mit Farbe und Mustern, die optisch strecken oder erhöhen.

Inwiefern beeinflusst die Grösse des Raums die Wahl der Farbe, der Struktur und des Materials für die Wand?
Bei kleinen Räumen muss man zurückhaltend sein und kleinere Muster wählen. Gerade das Tages-WC bietet sich für Tapeten oder Fliesen mit kleinen Dessins an. Bei den grösseren Räumen eigenen sich grössere Dekore und stärkere Farben.

Was sagen Sie zu Tapeten im Badezimmer?
Wenn kein direkter Berührungspunkt mit dem Wasser gegeben ist, sind Tapeten im Bad unbedenklich. Vereinzelte Wasserspritzer sind allerdings gut zu entfernen und abzutrocknen. Gerade in den 1960er-, 1970er-Jahren waren viele Bäder ausserhalb des Nassbereichs mit Tapeten ausgestattet.

Worin unterscheiden sich die Tapeten, die extra für den Nassbereich konzipiert sind, von den herkömmlichen Ausführungen?
Tapeten für den Nassbereich unterscheiden sich vor allem im Trägermaterial, das gegen Feuchtigkeit beständig sein muss. Dabei kommen Wandbeläge mit Baumwollgewebe als Trägermaterial zum Einsatz. Zusätzlich zeugen diese Tapeten von guter Abwaschbarkeit, da sie vinylbeschichtet sind.

Wie sieht das planerische Konzept einer optimalen Wandgestaltung aus?
Die Wandgestaltung soll möglichst früh und möglichst gesamtheitlich angepackt werden. Also wenn man sich mit dem Innenausbau eines Hauses befasst, soll man auch an Boden, Decken und Wände denken und sie vor allem zusammen bemustern. Es ist einfach unglücklich, wenn man den Boden bestimmt, aber die Wände noch nicht. Bei der Gestaltung des Innenlebens eines Hauses braucht es ein ganzheitlich durchdachtes Konzept. Will man die Wand betonen, fährt man beim Boden zurück oder umgekehrt. So vermittelt der Raum einen tollen, stringenten Eindruck mit einer in sich geschlossenen Wirkung. Im Hotelbereich und im privaten Hochpreissegment hängt die Wahl von Boden, Decken und Wänden eng mit der Möblierung zusammen. Im mittelpreisigen Wohnsegment werden zuerst die Räume gestaltet und dann die Möbel ausgewählt.

Inwiefern wird denn die Decke unter Berücksichtigung von Wand und Boden richtig gestaltet?
Die Decke muss den Raum in seiner Ganzheit abrunden. Sie soll dahingehend gestaltet werden, dass die ästhetischen und funktionellen Gegebenheiten zusätzlich unterstützt werden.

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Wände und ihre Gestaltung beeinflussen die Raumwirkung intensiver als der Boden.
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Die Grösse der grafischen Muster richtet sich proportional nach der Raumfläche.
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Reto Bernasconi, Vorsitzender der Geschäftsleitung Bernasconi Boden Decken Wände.
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