«Es wächst mehr Holz, als wir ernten»
Holz liegt im Trend, aber nicht nur aus klimapolitischen Gründen. Martha Walker, Vizepräsidentin des Branchenverbandes Holzbau Schweiz, spricht über die Eigenschaften, die Holzbauten attraktiv machen, und was sich hinsichtlich des Brandschutzes in den letzten Jahren getan hat.

Das ist ein Haus mit einer Tragkonstruktion aus Holz. Auch wenn das Skelett aus Holz ist, muss sich der Bau nach aussen hin nicht zwangsläufig als Holzbau präsentieren.Was für Konstruktionsmöglichkeiten mit Holz gibt es?
Für den Hausherrn im Einfamilienhausbereich wird am häufigsten die Elementbauweise angewendet. Bei dieser Form werden im Holzrahmen alle Installationen für Wasser und Strom, Isolation, Verkleidungen, Türen sowie Fenster im Betrieb eingebaut, bevor sie zum Standort gebracht werden, wo das Gebäude entsteht. Auf der Baustelle werden diese einzelnen Elemente innerhalb von wenigen Tagen zusammengefügt und der Rohbau fertiggestellt. Deshalb spricht man beim Elementbau auch von der Rahmenbauweise oder vom modernen Holzbau.
Was spricht für das Bauen mit Holz?
Holz ist der einzige natürlich nachwachsende Rohstoff, den wir hierzulande zur Verfügung haben. Holz kann für jeden Lebensstil eingesetzt werden. Das Material liegt derzeit absolut im Trend. Nicht nur vor dem klimapolitischen Hintergrund, sondern auch weil es für Wohnkultur steht. Holz fühlt sich gut an und sieht gut aus. Es sorgt für ein angenehmes und gesundes Raumklima, weil es atmet. Zudem übernehmen Bauherren von Holzgebäuden Verantwortung gegenüber der nächsten Generation.
Inwiefern?
Der Hauptgrund liegt darin, dass Holz stetig nachwächst. Gerade in der Schweiz haben wir mehr Holzwachstum als -ernte. Das ist nachhaltig. Hierzulande wachsen pro Jahr neun Millionen Kubikmeter Holz, etwa die Hälfte davon nutzen wir. Auch was die Kosten und den Energieverbrauch betrifft, ist die Holzproduktion nachhaltig. Ein Baum speichert nämlich drei Mal so viel CO₂, wie er bei seiner Verarbeitung zum Holzhaus verbraucht. Ein Einfamilienhaus aus Holz besteht aus rund 30 Kubikmeter Massivholz, das rund 27 Tonnen CO₂ speichert. Das ist etwa so viel CO₂, wie ein Auto über 300 000 gefahrene Kilometer hinweg an die Umwelt abgibt. Durch diese positive CO₂-Bilanz ist der Bau eines Holzhauses auch ein Beitrag des Menschen an die Pflege und die Bewirtschaftung des Waldes. Und wenn wir diesen gut behandeln, kommt das auch der Umwelt zugute. Ein Holzhaus erzeugt im weitesten Sinn auch keinen Abfall. Wird es nämlich einmal abgerissen oder zurückgebaut, kann man die Tragkonstruktion als Brennholz verwenden. Holz ist nicht nur Bau-, sondern auch Heizstoff. Damit schliesst sich der Kreislauf der Natur.
Sind Holzhäuser neben der ökologischen Komponente tatsächlich energieeffizient?
Der Baustoff Holz hat, entgegen vielen Vorbehalten, einen sehr hohen Isolationswert. Bereits ein Standardhaus entspricht ohne besondere technische Vorkehrungen einem Minergiehaus. Das heisst, die aufgewendete Leistung zur Beheizung des Hauses fällt gering aus. Schon bei der Produktion ist Holz energieeffizient, da relativ wenig Strom verbraucht wird. Zudem arbeiten viele Holzbauer mit Solarstrom. Ein weiterer energietechnischer Vorteil ist die Trockenbauweise. Man braucht auf der Baustelle keine Energie, um Holz von Feuchtigkeit zu befreien und zu trocknen. Dadurch ist der Holzbau deutlich schneller und gleichzeitig energiesparender als andere Bauformen.
Vorurteile gegenüber Holz halten sich hartnäckig: Dem Material wird eine geringe Lebensdauer sowie Schutzlosigkeit gegenüber Wasser und Feuer nachgesagt. Wie viel Wahrheit steckt in diesen Aussagen?
Holz nimmt Wasser auf und gibt Feuchtigkeit ab. Deshalb achtet man beim Bau eines Holzhauses darauf, dass es diffusionsoffen ist, damit es atmen kann. Im Einfamilienhausbereich besteht der Keller aus Beton, und ab 30 Zentimeter über der Erde beginnt die Holzkonstruktion. So ist das Material ausreichend gegen Feuchtigkeit geschützt und ewig haltbar. Denken Sie nur an die 3000 Jahre alten Gräber in Ägypten. Die sind aus Holz gefertigt und noch heute erhalten. Zum Element Feuer kann ich sagen: Natürlich brennt Holz, aber es brennt auf eine sichere Art und Weise. Seit 2015 ist Holz nicht mehr als brennbarer Baustoff, sondern lediglich als Baustoff in den Brandschutzvorschriften festgehalten. Das ist ein enormer Fortschritt.
Wie kam es dazu?
Forschungen zum Brennverhalten von Holz haben gezeigt, dass es äusserlich verkohlt, aber auch in brennendem Zustand bei einem gewissen Durchmesser noch während rund 60 Minuten tragfähig bleibt, bevor es zusammenbricht. Ein Stahlbau deformiert bei gewissen Temperaturen. Entsprechende Schäden und damit der Einsturz sind vor-programmiert. Damit ist klar, ein Holzhaus ist mindestens so standfest wie ein Massivbau. Deshalb dürfen mittlerweile öffentliche und mehrgeschossige Gebäude aus Holz konstruiert werden.
Nächster Vorbehalt: Eine Holzfassade sieht ohne aufwendige Pflege nach ein paar Jahren abgegriffen aus.
Dass ein Holzhaus aufwendig im Unterhalt ist, stimmt so nicht. Die Voraussetzung dafür ist aber immer eine gute Beratung vor Baubeginn. Zu klären sind technische wie optische Ansprüche. Bei Holzfassaden spielt die Hinterlüftung eine besondere Rolle. Eine fachgerecht gebaute Holzfassade verhindert das Eindringen von Feuchtigkeit in die Bausubstanz, ermöglicht das Abfliessen des Oberflächenwassers und garantiert dank einer guten Luftzirkulation ein schnelles Austrocknen der Holzteile. Es ist wichtig zu wissen, wo das Haus steht und welchen Witterungsbedingungen es ausgesetzt ist. Eine sägerohe, unbehandelte Holzfassade braucht grundsätzlich keine Pflege und keinen Unterhalt. Je nach Höhenlage, Klima und Ausrichtung der Fassade wird sich die Farbe des Holzes aber vom hellen Silbergrau über verschiedene Brauntöne bis zu Schwarz verändern. Es gilt zu klären, was dem Bauherrn optisch gefällt. Sein Geschmack entscheidet schliesslich, ob und wie die Holzfassade behandelt wird oder ob andere wetter- und witterungsfeste Materialien zur Fassadenbekleidung eingesetzt werden.
Man bekommt den Eindruck, dass Holzhäuser nur Vorteile bieten. Hat diese Bauweise denn wirklich keine Schwächen?
Holz ist heute unbestreitbar derjenige Baustoff, der am meisten architektonische Kreativität bietet. Technisch kann Holz mit anderen Materialien mithalten und übertrifft diese in Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit. Die Schallübertragung war lange Zeit eine grosse Herausforderung für die Holzbauer. Denn Holz hat ein tiefes Eigengewicht und wenig Masse, um den Luftschall zu absorbieren. Heute baut man zusätzliche Masse in die Konstruktionen ein, wie zum Beispiel Sand oder Kies in die Deckenelemente, und erreicht damit mindestens die gleichen Werte wie beim Massivbau. Das aber spielt weniger im Einfamilien- als im Mehrfamilienhaus eine Rolle. Handkehrum eignet sich Holz gerade wegen des geringen Eigengewichts und der hohen Tragfähigkeit besonders für Aufstockungen bei bereits bestehenden Häusern. Gerade das Gewicht muss schliesslich vom darunterliegenden Bestand aufgenommen werden können. Der leichte Baustoff Holz ermöglicht je nachdem Aufstockungen über mehrere Geschosse, ohne dass die alte Bausubstanz verstärkt werden muss.
Martha Walker
Hält ein Holzhaus tatsächlich so lange wie ein Betonbau?
Das älteste Haus der Schweiz – vielleicht sogar Europas – ist ein Holzbau, der über 800 Jahre alt ist. Das Gebäude steht im Kanton Schwyz im Dorf Satteln. Das beweist eindeutig: Das Material Holz ist äusserst robust und langlebig.
Gibt es versicherungstechnische Unterschiede zwischen Holz- und Massivbauten?
Je nach Gebäudeversicherung und Kanton muss man heute noch deklarieren, ob es sich um einen Holz- oder um einen Massivbau handelt. Das ist noch in den alten Brandschutzvorschriften begründet. Aufgrund ihrer Erneuerung vor vier Jahren ist man nun allerdings dabei, diesen versicherungs-technischen Unterschied zu beseitigen. Gewisse Kantone haben das meines Wissens schon getan.





