Besserer Durchblick bei der Fensterwahl
Die Wahl der Fenster hängt nicht nur von der Architektur des Hauses ab. Experte Jürgen Scandone zeigt im Interview auf, was der Fenstermarkt in technischer und gestalterischer Hinsicht zurzeit zu bieten hat und in welche Richtung der Trend geht.

Die Fenstersysteme unterscheiden sich in der Öffnungsart: die Standardfenster mit Dreh-, Dreh-Kipp- oder Kipp-Flügel; die Festverglasung, die sich nicht öffnen lässt und beispielsweise für Panoramaaussichten zum Einsatz kommt; die Parallelschiebetüren und die Hebeschiebetüren. Es gibt zudem motorisierte Lösungen, sodass die Fensterelemente, weil sie oft zu schwer sind, per Knopfdruck bedient werden können.Welche Materialien gibt es, und was zeichnet diese aus?
Kunststoff, Kunststoff-Aluminium, Holz und Holz-Metall sind die gängigen Materialien, wobei die Kunststofffenster die kostengünstigste und die Holz-Metall-Fenster die qualitativ hochwertigste Lösung sind. Kunststoff-Aluminium-Fenster haben eine Aussenschale aus Aluminium. Es gibt die Möglichkeit, die Aussenschale der Fenster in der gewünschten Farbe oder beispielsweise in Holzimitation zu folieren. Reine Holzfenster kommen meist in klassischen Chalets vor. Schliesslich gibt es die Holz-Metall-Fenster, erfunden in der Schweiz. Sie bieten designtechnisch viele Möglichkeiten. Standardmässig werden Nadelhölzer wie Fichte und Kiefer verwendet und weiss lackiert. Es sind aber alle Farben möglich, oder man kann das Holz naturlasieren. Hinsichtlich der Bauphysik respektive des U-Werts für den Wärmedurchgang erfüllen alle Fensterarten die gleichen Vorschriften gemäss MuKEn.
Welche Arten von Verglasung gibt es, und was bedeuten sie?
Das sogenannte Floatglas bildet die Basis. Es wird mit einer Guss- und Fliesstechnik über einem Metallbad gefertigt. Daraus wird das Einscheibensicherheitsglas (ESG) und das Verbundsicherheitsglas (VSG) hergestellt. ESG ist ein thermisch vorgespanntes Glas, wobei die Spannungen im Ruhezustand gleichmässig verteilt sind, sodass beim Bruch das Glas in unzählig kleine Teile zerspringt und man sich dadurch kaum verletzt. VSG besteht aus zwei Floatglasscheiben, die mit einer Folie zusammengehalten werden, weshalb beim Bruch keine Scherben entstehen. Aus diesen drei Varianten wird Multifunktionsglas hergestellt.
Was ist darunter zu verstehen?
Die Wärmeschutzverglasung bildet den Standard. Sie besteht aus drei Floatgläsern mit Metallbeschichtung, welche die Wärmestrahlung in den Raum zurück spiegelt, wobei Argon-Gas verhindert, dass die Wärme nach aussen transportiert wird. Je nach Lage des Hauses bietet sich die Schallschutzverglasung gegen Lärmemissionen an. Der Lärmkataster Ihres Kantons zeigt auf, wie stark Ihr Grundstück von Lärmemissionen belastet ist. Einbruchhemmende Verglasung besteht aus VSG mit vier Folien. Sonnenschutzglas hat einen geringen g-Wert, also Energieeintrag, und ist deshalb etwas dunkler. Weissglas hat einen geringen Anteil an Eisenoxid und bietet somit optimale Lichtverhältnisse im Raum, dafür ist der g-Wert viel höher. Schliesslich gibt es noch das Brandschutzglas mit speziellen Folien, die ab einer gewissen Temperatur aufschäumen, womit das Durchdringen der Wärmestrahlung verhindert wird. Der Einsatz von Brandschutzglas hängt von den Bauvorgaben ab.
Jürgen Scandone
Was bedeutet «rahmenlose Verglasung», und welche Vor- und Nachteile hat sie?
Rahmenlose Verglasungen verfügen über ein Rahmenprofil, das vollständig in den Boden, die Decke und die Wände eingearbeitet wird. Das erlaubt schwellenlose Übergänge und eine maximale Aussicht. Man muss sich aber dessen bewusst sein, dass auch die Einblicke maximal sind. Je nach Lage des Hauses stellt das jedoch kein Problem dar. Der sommerliche Wärmeschutz ist ein weiteres Thema, das berücksichtigt werden muss.
Inwieweit sind Fenster energieeffizient?
Fenster sind sehr energieeffizient. Die Frage ist, ob man den Energieverlust oder den Energiegewinn betrachtet. In der Schweiz gibt es dazu zwei Labels: Minergie und Energieetikette. Erstere stellt den U-Wert und damit den Energieverlust durch das Fenster in den Fokus, während Letztere den Energiegewinn durch die Sonneneinstrahlung mitbilanziert. Durch die sehr guten U-Werte des Glases sind die Oberflächentemperaturen moderner Verglasungen bedeutend höher als früher. Deshalb ist es möglich, so grosse Fenster zu verbauen. Während im Winter der hohe Energiegewinn durch die Fenster geschätzt wird, ist dieser Effekt im Sommer nicht erwünscht. Damit das Haus nicht überhitzt, ist ein Sonnenschutzsystem Pflicht. In den 90er-Jahren hat man die Glasart von der Gebäudeausrichtung abhängig gemacht: Man hat auf der nach Süden ausgerichteten Seite Sonnenschutzglas und auf der nach Norden ausgerichteten Seite Wärmeschutzglas verbaut. Das ist mit viel Planungsaufwand verbunden, doch vielleicht geht der Trend wieder in diese Richtung. Es kann auch sein, dass aufgrund der Klimaerwärmung die Fenster wieder kleiner werden. Klimageräte sind aufgrund der schlechten Energiebillanz keine gute Lösung.
Was gilt es, hinsichtlich Sicherheit bei der Auswahl der Fenster zu beachten?
Die angebotene Sicherheit ist nach Schweizer und europäischer Normung in verschiedene Widerstandsklassen eingeteilt. Diese Klassen heissen RC (Resistance Class). Im Wohnungsbau kommt vorwiegend RC2 zum Einsatz. Damit wird das Aufbrechen mit einfachen Hebelwerkzeugen für eine Dauer von mindestens drei Minuten verhindert. Die Klassifizierung muss mit einem Zertifikat eines Prüfinstitutes nachgewiesen werden. Seit 2018 ist die Sigab-Richtlinie 002 gültig. Dabei geht es um den Schutz von Personen vor Verletzungen beim Hineinfallen oder beim Treten in Verglasungen. So müssen alle raumhohen Verglasungen wie eine Balkontür aus VSG oder ESG bestehen.
Welche Lösungen gibt es derzeit für den Sonnen- respektive Sichtschutz?
Rafflamellenstoren zählen zurzeit zum Standard. Parallel gibt es im hochwertigen Wohnungsbau immer öfter ZIP-Storen, das sind stoffbespannte Storen mit Führungsschiene, welche die Aussicht nicht komplett verdecken. Das Dilemma besteht zwischen Solareintrag und sommerlichem Wärmeschutz. Zur optimalen passiven Sonnenenergienutzung sollte der g-Wert möglichst hoch, für eine optimale Sonnenschutzwirkung möglichst tief sein. Dafür gibt es eine Lösung: Mit elektrochromen Gläsern verdunkeln sich die Gläser von selbst bei Anlegen einer Spannung. Das bedeutet, dass das Glas dunkler wird, je stärker die Sonne hineinstrahlt. Gleichzeitig hat man immer noch gute Sicht nach draussen, wodurch Storen überflüssig werden. Diese Lösung braucht Strom und einen Lichtmesser. Bis jetzt kommen solche Fenster vorwiegend in Bürogebäuden oder Spitälern zum Einsatz. Im Einfamilienhaus wären sie auch denkbar. Für den Sichtschutz gibt es ebenfalls eine intelligente Lösung: schaltbare Gläser, die dank Flüssigkristallfolie per Knopfdruck schlagartig weiss werden. Von aussen nimmt man dann nur noch das Licht wahr.
Welche zusätzlichen Funktionen gibt es sonst noch auf dem Markt?
Wie bereits erwähnt, gibt es Fenstersysteme, die per Knopfdruck funktionieren. Mit Sensoren ist die Steuerung auch über Smartphone möglich, sodass man unterwegs prüfen kann, ob alle Fenster geschlossen sind. Es gibt auch CO₂-Messsysteme, wodurch das Lüften automatisch veranlasst werden kann, wenn das Haus nicht über eine Komfortlüftung verfügt. Allgemein geht der Trend in Richtung Motorisierung.
Welche Lebensdauer haben Fenster?
Die Erfahrung hat gezeigt, dass Fenster im Einfamilienhaus nach 40 bis 50 Jahren ersetzt werden. Nicht weil sie defekt sind, sondern weil sie den Ansprüchen nicht mehr genügen.
Welchen Rat haben Sie für Bauherren?
Ihre Wünsche und Bedürfnisse hinsichtlich Gestaltung, Qualität und Funktionen der Fenster sollten Sie mit dem Architekten früh diskutieren, damit er diese in die Planung von Anfang an mit einbezieht. Zudem ist die «Swissbau» in Basel, die im Januar stattfindet, eine gute Gelegenheit, um sich, abgesehen von der Verglasung, über alle anderen Themen rund um den Hausbau zu informieren und sich selbst ein Bild über die neuesten Techniken und Produkte zu machen.
