Alte Möbel in neuem Glanz
In einer Zeit, wo laufend neue Möbel in meist grosser Stückzahl produziert werden, ist die Handwerkskunst von Simon Tobler ein schöner Gegenpol. In seiner kleinen Werkstatt restauriert er nämlich in die Jahre gekommene Polstermöbel.

Entschleunigtes Handwerk
Der Stoff des Sessels ist normalerweise nicht erst gestern kaputtgegangen. Daher nehmen diese Kunden auch gerne lange Wartezeiten in Kauf. «Die Besitzer schätzen es, dass wir uns für ihr Möbelstück Zeit nehmen», sagt Simon Tobler. Vom ersten Kontakt bis zur Umsetzung vergeht nämlich etwa ein Jahr: Einerseits, bis der Kunde sich für den Stoff entschieden hat und die Offerte fertig ist. Andererseits gibt es bei Simon Tobler derzeit mindestens ein Dreivierteljahr Wartezeit, weil er so viele Aufträge hat.
In seiner Werkstatt ist das Objekt schliesslich ungefähr drei Wochen und geniesst Toblers ungeteilte Aufmerksamkeit. Bevor das Möbelstück aber einen Termin bekommt, ergründet Simon Tobler mit verschiedenen Fragen den Kundenwunsch: Soll der Stuhl einen klassischen oder einen modernen Bezug bekommen? Soll möglichst wiederholt werden, was bereits jetzt darauf zu sehen ist, oder soll etwas Neues entstehen? Wie sieht der Raum aus, in dem der Sessel steht? Was ist die Lieblingsfarbe?
Danach arbeitet er die Einzelheiten aus und erstellt eine Offerte. «Ich mache immer einen Maximalpreis», erklärt Tobler. Er taste das Möbel ab und entscheide je nach Zustand, wie viel Arbeitsaufwand das geben könnte. Ihm ist Transparenz sehr wichtig, und daher schreibt er dem Kunden alle Arbeitsschritte und Materialien in die Offerte. So weiss der Möbelbesitzer genau, wofür er Geld investieren wird und wie viel. «Ist der Aufwand einmal geringer, verrechne ich weniger. Ist er jedoch wie meistens grösser, bezahlt der Kunde dennoch nur den vereinbarten Betrag, und die restlichen Kosten gehen auf mich», so Tobler.
Simon Tobler, Restaurations-Polsterer
Sobald der Stuhl in der Werkstatt ist, entfernt Simon Tobler die alte Polsterung. Dabei helfen ihm manchmal auch seine Frau oder die Kinder. Während des Abbruchs schaut er sich bereits an, wie der Vorgänger die Polsterung aufgebaut hat. Dabei merkt Simon Tobler: «Jeder Polsterer hat seine eigene Sprache.» Dennoch folgt jede von Hand gefertigte Polsterung einem ähnlichen Grundaufbau. Zuerst werden geflochtene Jutegurten gespannt und am Möbel befestigt.Darauf werden die Stahlfedern genäht, die wiederum mit Schnüren in die richtige Stellung gebracht werden. Er braucht dafür viel Kraft und Fingerspitzengefühl. «Die Schnürung ist der handwerklich schwierigste Schritt, doch er ist essenziel für den Sitzkomfort», sagt Tobler.
Nachhaltige Arbeit
Verschiedene Materialschichten folgen im Anschluss. Eine der wichtigsten ist die Façon, welche dem Möbel seine Form gibt. Hier zeigt sich, ob man nicht nur sein Handwerk beherrscht, sondern auch die Form des Sessels erfassen kann. «Man muss es in den Fingern spüren und entsprechend formen», erklärt Tobler. Die Façon besteht aus Rosshaar oder Kokosfaser. Bei seinen Materialien achtet Simon Tobler darauf, möglichst nachhaltig zu sein. Daher bestellt er etwa das Rosshaar fast nur bei der einzigen Schweizer Spinnerei dafür. Nachhaltigkeit ist generell ein wichtiges Thema für Tobler. So auch bei den Stoffen, die er den Kunden anbietet. Hier hat er ein eher kleines Sortiment an aussergewöhnlichen Stoffen. Dabei ist es ihm wichtig, dass die Stoffe dort produziert werden, wo sie auch designt wurden. Bei der Auswahl achtet er ansonsten darauf, dass die Stoffe aus möglichst vielen Ländern stammen. «Jedes Land hat seine eigene Farbpalette, seine eigene Musterart», sagt der Polsterer dazu.
Der Stoffbezug ist auch Simon Toblers Lieblingsschritt. Einerseits, weil er Stoffe liebt, und andererseits, weil es dann in Richtung Endschliff geht. «Dabei kannst du am besten deine eigene Sprache zeigen, denn alles vorher sieht schlussendlich keiner mehr», erklärt er. Seine eigene Sprache wurde in vielerlei Hinsicht durch seine Arbeit mit einem alten Polsterer in Freiburg im Breisgau geprägt, der schon Jahrzehnte Erfahrung hatte. «Zu ihm kamen bereits Leute in der dritten Generation», sagt Simon Tobler. Als Beruf lernen kann man heute die Polsterei nicht mehr, erst recht nicht mehr die traditionelle Polsterei. Dafür ist sie zu sehr ein Nischenhandwerk. Polsterei ist daher Teil der Ausbildung zum Innendekorateur.
Simon Tobler, Restaurations-Polsterer
Genau diese Nische scheint derzeit aber wieder zu boomen. «Seit ich in Urnäsch bin, habe ich noch nie eine Auftragslücke gehabt», sagt Simon Tobler. Er erklärt sich diese erhöhte Nachfrage nach seinem Handwerk unter anderem damit, dass Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft ein immer grösseres Thema wird. Damit hängt auch die Rückbesinnung auf Naturmaterialien zusammen, welche er ausnahmslos verwendet. Simon Tobler bemerkt auch ein Umdenken darin, dass man wieder sehen darf, dass etwas von Hand gemacht wurde. Perfektion, wie wir sie heute von maschinell gefertigten Möbeln gewohnt sind, ist bei Toblers Handwerk gar nicht möglich, denn: «Jedes Stück ist einzigartig.»












