Neudefinition eines Klassikers
Produktdesigner Michael Seum vom deutschen Armaturenhersteller Grohe präsentierte im Rahmen der Mailänder Möbelmesse den Re-Launch der klassischen Armatur «Atrio».

Michael Seum: Wir fangen immer mit Fragen an. An alle am Projekt Beteiligten – früher und heute. Wir schauen natürlich auch, was in der Welt passiert, welche Trends gerade vorherrschen. Wir experimentieren auch viel, machen Prototypen. Nein nicht einfach Prototypen, tausende davon. Weil wir gleichzeitig zehn verschiedene Linien verfolgen.
Dann kommt der Moment, wo sich beim Designer der Instinkt meldet. Man fühlt es, dass es stimmig wird. Vielleicht bloss, weil man gerade das Gegenteil von dem kreiert hat, wonach man formal gesucht hat. Oder der Kollege aus dem Designteam spricht genau das an, woran noch niemand gedacht hat.
Und man merkt instinktiv, dass es genau dieses Puzzleteil ist, das noch gefehlt hat. Charles Eames hat einmal gesagt: «The details are not the details. The details are the design.» Genau darum geht es.
Wie gingen Sie konkret vor, um das ursprüngliche Erscheinungsbild und dessen Wiedererkennbarkeit auch beim überarbeiteten Entwurf zu bewahren?
Wir haben einige Elemente aus der Vergangenheit übernommen und neue hinzugefügt. Das Re-Design folgte dabei den allgemeinen Regeln der Simplifizierung und der Reduktion. Denn das oberste Ziel einer solchen Übung ist immer die Optimierung des Handlings und der Präzision.
Die von uns verwendeten Grundformen bei all unseren Armaturen sind der Kreis, der Winkel bei der Ziffer Sieben sowie die Ellipse. Diese Grundformen ziehen sich durch das gesamte Portfolio durch. Das ist auch bei dieser Armatur der Fall.
Ein weiterer Punkt ist, dass alles in Balance sein muss. Deshalb ist auch (fast) alles symmetrisch. Doch trotz einer einfachen Geometrie soll unser Produkt gleichzeitig klassisch, aber auch modern und elegant sein. Das haben wir mit der Formel «the flow of the water follows the form» erreicht.
Was konnten bzw. wollten Sie von der klassischen Armatur unbedingt übernehmen?
Das einzige, was wir schlussendlich beibehielten, war – ehrlich gesagt – der Zylinder. Alles andere haben wir modifiziert: die Proportionen haben geändert, die Formen haben geändert. Die Technologie hat geändert. Es ist eigentlich eine komplett neue Armatur entstanden, die tradierte visuelle Elemente übernommen und in die Jetzt-Zeit transportiert hat.
Wollten Sie denn an bestimmten Punkten freier sein im Gestaltungsprozess?
Nicht wirklich, denn es ging uns nicht um das Finden von neuen Wahrheiten, sondern um das Wiederfinden von alten Ansprüchen. Es war ein bisschen wie bei, sagen wir mal, Porsche: Dort baut jedes neue Modell auf einem vorhergehenden auf. Unsere Arbeit war sehr ähnlich.
Gab es technische Schwierigkeiten bei der Umsetzung, zum Beispiel durch neuartige Anforderungen an eine Armatur (Stichwort Digitalisierung, Reduktion der Wassermenge etc.)?
Ja, natürlich. Aber nicht mehr als bei anderen Designentwürfen auch. Die Bedienung der Armatur ist ja seit je selbsterklärend. Aber wir gehen auch mit der Zeit und haben neue Features eingebaut, wie zum Beispiel die Möglichkeit, direkt aus der Armatur nicht nur Wasser, sondern mit Kohlensäure angereichertes und gefiltertes und gekühltes Mineralwasser anzubieten. So muss ich heute keine Plastikflaschen mehr kaufen. Das ist Ökologie!
Was gefällt Ihnen persönlich an der neuen Armatur am besten?
Wie flexibel der Entwurf in unterschiedlichsten Raumsituationen und -stilen einsetzbar ist und wirkt. Atrio ist zu einem Statement geworden, das sich überall intergrieren lässt. Das macht mich stolz.
Michael Seum, besten Dank für das Gespräch.







