«Manche haben bei der Farbwahl zu wenig Mut»

Die Innenraumfarbgestaltung führt weg von kühlen Grautönen hin zu wärmeren Farben. Little-Greene-Kreativdirektorin Ruth Mottershead erklärt, wie Neutraltöne am besten angewendet werden.

«Book Room Green»: Der Büchersaal in Wimpole Hall wurde um die Jahrhundert­wende vom neoklassizistischen Architekten John Soane neu gestaltet. Die Begeisterung des Besitzers für Architektur gab den Ausschlag, dass der Raum in seiner Grösse verdoppelt wurde. Dieses neu­trale Grün diente als dezenter Kontrast zum feinen weissen Putz.

Text Noémie Schwaller | Fotos littlegreene.eu

Elf der neuen «Stone»-Töne von Little Greene entstanden aufgrund einer Farbforschung im Portfolio von National Trust, ­Europas ältester Denkmalschutzorganisation, die Liegenschaften in England, Wales und Nordirland betreut. Die Zusammenarbeit begann im Januar 2018 für die Farbkarte «Green». Es folgten die Tapetenkollektionen «National Trust Papers I & II», «New Colours» und die Neutraltonkollektion «Stone». Alle sind von Wandfarben oder Tapeten inspiriert, die in den Wohnräumen – früher wichtige Orte der Begegnung für Familien und Gesellschaften – der denkmalgeschützten Liegenschaften entdeckt und erforscht wurden.Ruth Mottershead, was versteht man unter Neutraltönen?
Darunter sind ursprünglich alle Nuancen zwischen Schwarz und Weiss zu verstehen. Naturnahe Farben wie erdige, steinige Töne werden häufig als «New Neutrals» bezeichnet und sind eine behagliche Alternative zu den eher kühleren Grauschattierungen. Sie können die Wirkung anderer Farben je nach Wunsch wunderbar hervorheben oder ausgleichen. Ein intensives Grün wirkt in Kom­bination mit dem neutralen Ton dezenter, während ein leichtes Grün es hervorhebt, weil es einen ähnlichen Grundton hat.

Warum verspüren wir Wärme und Harmonie beim Betrachten von Neutraltönen?
Unser Zuhause ist in diesen Zeiten zu unserem Zufluchtsort geworden, egal ob wir arbeiten oder unsere Freizeit geniessen. Wir alle verbringen mehr Zeit dort. Deshalb sehnen wir uns nach gemütlichen Räumen, in die wir uns zurückziehen können. Erdige Farbtöne haben eine wohltuende Wirkung auf die Sinne, sind angenehm für das Auge und wohltuend für die Seele. Die neutralen Nuancen unserer «Stone»-Palette eignen sich perfekt für die Schaffung erholsamer, eleganter Lebensräume. Es geht nicht um eine Rückkehr zu Beige oder Magnolienfarben, sondern darum, «New Neutrals» zu verwenden, um smarte und einladende Räume zu schaffen.

Gibt es Einsatzbereiche, für die sich Neutraltöne besonders eignen?
Die sanften «Neutrals» können in allen Bereichen des Hauses eingesetzt werden und haben eine wärmende, entspannende Wirkung. Ausserdem lassen sie sich hervorragend mit Stoffen, Tapeten und Möbeln aller Stilrichtungen kombinieren. Wir raten dazu, die Decke in die Planung einzubeziehen. Oft bleibt diese weiss, und das ist sehr schade. Wird sie ebenfalls gestrichen, entsteht ein harmonischer Gesamteindruck, und die Farbe kommt voll zur Geltung. Ein Zuviel gibt es bei Neutraltönen nicht.

Was macht Neutraltöne einfach in der Anwendung?
Neutraltöne können leicht in ein bestehendes Farbschema eines Raums integriert werden. Wer seiner Wohnung ein Update geben möchte, kann das also umsetzen, ohne andere Dekorationselemente wie Böden, Stoffe und Polster ändern zu müssen. Beispielsweise sind «French Grey» und «Silent White» Farbtöne, die weder zu kühl noch zu warm wirken und sich so ideal mit anderen Farben kombinieren lassen, ohne vorher die Grundtöne studieren zu müssen. Farbkarten sind ein hilfreiches Tool. Bei uns gehört jede Farbe zu einer in Nuancen abgestuften Farbfamilie, die je nach Unterton in Spalten gruppiert ist. Innerhalb derselben Spalte können die Farbtöne auf­einander und über Spalten hinweg für ausgewogene Kontraste abgestimmt werden. So lässt sich leicht ein stimmiges Farbschema erstellen. Um die Farbe vorher zu testen, kann man sich Probetöpfchen besorgen, in denen genug Farbe für eine 1 × 1 Meter grosse Fläche bei zwei­fachem Anstrich enthalten ist. Diese sollte man eine Weile beobachten, um verschiedene Lichteinfälle und Tagesstimmungen bewerten zu können.

Welche Tipps haben Siebezüglich der Neutraltöne?
Manche haben bei der Farbwahl zu wenig Mut. Gerade bei dezenten Tönen kann man mehr Farbe wagen und muss nicht vor dunklen Nuancen zurückschrecken. Ist ein Raum klein, sollte man nicht versuchen, ihn durch reines Brillantweiss grösser wirken zu lassen. Das wirkt oft kühl und ungemütlich. Statt­dessen sollte man die Chance nutzen, ein wohliges, intimes Raumgefühl durch dunk­lere Farben zu erzeugen. Es empfiehlt sich immer, eine Farbberatung in Anspruch zu nehmen. Dazu sind Muster aus dem zu streichenden Zimmer hilfreich, beispielsweise ein Sofakissen oder eine Bodenfliese. So lässt sich am besten die passende Farbe finden.

«Manche haben bei der Farbwahl zu wenig Mut»
Ruth Mottershead – Kreativdirektorin Little Greene littlegreene.eu
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