Norwegisches Wohngefühl

In Norwegen sind sogenannte Hytter weit verbreitet. Traditionell liegen diese kleinen, dunklen Hütten sehr abgeschieden. Um der Hektik Oslos zu entfliehen, wollte auch die Familie Young eine solches Holzhaus bauen – mit einem modernen Twist.

Norwegisches Wohngefühl
Text Ramona Ronner | Fotos Bruce Damonte
In Norwegen sind sogenannte Hytter weit verbreitet. Traditionell liegen diese kleinen, dunklen Hütten sehr abgeschieden. Um der Hektik Oslos zu entfliehen, wollte auch die Familie Young eine solches Holzhaus bauen – mit einem modernen Twist.
I n klirrender Kälte und finsterer Nacht mit Taschenlampe nach draussen schleichen, um zum kleinen Verschlag mit der Toilette zu gelangen. In der Ferne sieht man ein flackerndes Licht. Strom gibt’s hier draussen nicht, fliessendes Wasser ebenso wenig. Dennoch geht es einem hier draussen wohl wie vielen Norwegern, die einen solchen Unterschlupf mitten im Nirgendwo besitzen: Man ist total entspannt – weit weg vom Alltagsstress.Einen solchen Rückzugsort vom Alltag wünschte sich auch die amerikanische Familie Young, die seit einiger Zeit aus beruflichen Gründen in Oslo lebt. Sie sehnte sich nach einem Ort, wo sie sich ausserhalb der Grosstadthektik mitten in der Natur entspannen kann – eine sogenannte Hytte. Die Hytte im klassischen Sinn war den Youngs aber noch ein bisschen zu fremd. So wollten sie nicht auf Strom oder eine Toilette im warmen Haus verzichten. «Wir sind keine gebürtigen Norweger, daher konnten wir uns schlecht vorstellen, wie man so ein Haus dennoch möglichst originalgetreu nachbaut», erklärt Scott Young. Deshalb wandte sich die Familie an das Architekturbüro Mork-Ulnes Architects.

Der Inhaber dieses Büros, Casper Mork-Ulnes, ist Norweger aus Oslo. Er wurde jedoch unter anderem auch in den Vereinigten Staaten grossgezogen und hat sogar einen Sitz des Architekturbüros in San Francisco. So waren der Architekt und sein Team die perfekte Wahl für die junge Familie, da sie sowohl ihre ursprüngliche Kultur als auch die der Norweger bestens kennen. Zudem ist die Innenarchitektin Lexie Mork-Ulnes eine Kindheitsfreundin von Christine Young.

der Wildnis ganz nah

Die naturliebende und aktive Familie Young suchte als Platz für ihre Mylla Hytte, wie der Rückzugsort schliesslich heissen sollte, eine Stelle unweit von Oslo aus. «Da sie auch am Wochenende von unserer Wohnung und den Arbeitsorten in der Stadt aus gut erreichbar sein sollte, war das ideal für uns», erklärt der Bauherr. Doch da draussen spürt man vom Stadtleben kaum etwas. Das kleine Grundstück liegt nämlich mitten in der Wildnis.

Nun galt es also, hier die neu interpretierte norwegische Hytte zu planen. Den Youngs war es wichtig, dass das Haus möglichst platzeffizient daherkam. So sollten in der kleinen Holzhütte drei Schlafzimmer mit einem Raum für das Hochbett der Kinder, zwei Badezimmer, eine Küche und ein kleiner Anbau für Ski- und Fahrradbelange vorhanden sein. «Natürlich durfte auch die Sauna nicht fehlen», ergänzt Christine Young. Das Ehepaar hatte von Beginn an sehr klare Vorstellungen und war dennoch offen für Designkonzepte seitens der Architekten. «Sie waren Traumkunden», so Casper Mork-Ulnes.

Herausforderungen gab es dennoch zur Genüge für die Architekten. Die traditionelle norwegische Hytte ist klein, dunkel, hat winzige Fenster, enge Räume und niedrige Decken. Nicht gerade die perfekte Designvorlage, um den Wünschen der Bauherrschaft nach grosszügigem, offenem Wohnraum gerecht zu werden – auf knapp bemessenen 84 Quadratmetern. Abgesehen von einer geschickten Raumplanung brütete das Architekturbüro auch über die äussere Form der Mylla Hytte. «Besonders das Dach bereitete uns Sorgen», hebt Casper Mork-Ulnes hervor. Hätten die Architekten sich schlicht an die Planungsrichtlinien gehalten und das übliche Satteldach aufgesetzt, wäre das mühsam geworden. Denn der Schnee wäre so genau vor die beiden Eingänge gefallen. Die Youngs hätten also jeden Tag Schnee schaufeln müssen. Das hätte gerade deshalb schwierig eingehalten werden können, weil sie ja nicht ständig in ihrem Häuschen sind, sondern gerade unter der Woche viel in ihrer Stadtwohnung in Oslo.

Nun, das war am Ende auch gar nicht nötig. Die Architekten designten nämlich ein Satteldach, das aufgeteilt ist. So fällt der Schnee dorthin, wo er keine Probleme verursachen kann. Aufgrund seiner Optik hat es den passenden Namen Windrad-Dach bekommen. Ebenso windig kann der Gang zur Sauna sein. Diese wurde nämlich nach draussen verlegt. Also dorthin, wo bei ganz traditionellen Hytter die Toilette ist. Die Sauna ist wie die restlichen Wände aus Kiefernholz. «Das unbehandelte Holz wird mit der Zeit eine silberne Farbe bekommen. Damit verschmilzt es im Winter mit der umliegenden Waldlandschaft», erklären Mork-Ulnes die Holzauswahl. Das Hauptmaterial für die Inneneinrichtung ist Sperrholz und Beton. Es sollte möglichst unaufgeregt und sauber strukturiert sein.

Viel Platz auf engem Raum

Diese unaufgeregte Stimmung wollen die Architekten auch mit dem Licht erreichen. «Wir wollten die Beleuchtung so unaufdringlich wie möglich halten», so die Architektin. Dafür benutzten sie in die Wand oder Decke eingelassene weisse Halogenleuchten. Für die Aussenbeleuchtung wurden für die simplen Lampen Boxen aus dem gleichen Holz wie die Hauswand gebaut, damit sie sich schön in die Fassade einfügen. Da das Haus in eine kleine Gemeinschaft von weiteren Hütten gebaut wurde, waren die Elektrizität und das fliessende Wasser auch in der Mylla Hytte möglich

Die architektonischen Kniffe und Feinheiten bildeten am Schluss eine moderne und gleichzeitig traditionell orientierte Wohlfühloase für die vierköpfige Familie Young und ihren Hund. Neben der Familie haben weitere sechs Personen Platz. Das Haus ist also geräumiger, als man es von 84 Quadratmetern gemeinhin erwarten würde. Die immer wieder neuen Perspektiven und unterschiedlichen Winkel im Haus unterstützen diesen Eindruck. «Der Blick aus den Fenstern fühlt sich an, als wäre man draussen, obwohl man drin ist», fasst Scott Young den Eindruck in Worte. Und falls es ihnen doch mal zu eng werden sollte in der Mylla Hytte, so können die Youngs immer noch den Tag im Freien verbringen. Sei es mit Fischen und Schwimmen unten am Mylla-See oder im Winter bei ausgedehnten Langlaufausflügen direkt vom Haus aus.

«Die Mylla Hytte soll ein Rückzugsort für die ganze Famile sein.»Casper Mork-Ulnes, Architekt/Inhaber

«Es ist ein einzigartiger Ort für uns, egal zu welcher Jahrezeit.»Scott Young, Bauherr

TECHNISCHE ANGABEN

[ ARCHITEKTUR ]

Mork-Ulnes Architects | morkulnes.com

[ KONSTRUKTION ]

Holzrahmung über einem Betongerüst | Halbgiebeldach aus Kiefernholz | Fassade: Kiefernholz

[ Raumangebot ]

Nettowohnfläche: 84 m² und 16 m² Anbau | Anzahl Zimmer: 4,5

[ Ausbau ]

Boden: Beton | Wandbeläge: Kiefernsperrholz mit Laugen- und Fischölveredelung | Fenster: Kiefernholz

[ Technik ]

Elektrische Bodenheizung und Cheminéeofen

Norwegisches Wohngefühl
Die klaren Linien der Hütte und ihre geometrischen Formen heben sich mit aller Deutlichkeit von der nebligen, grauen Umgebung ab.
Norwegisches Wohngefühl
Um Platz zu sparen, werden Wände zu Büchergestellen und anderen Stauräumen.
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Effizienz wird in diesem kleinen Haus grossgeschrieben. So ist die Küchanblage mit dem Spülbecken gleichzeitig auch die Rückenlehne der Sitzbank zum Esstisch.
Norwegisches Wohngefühl
Herkömmliche Hytter sind dunkel und eng. Dank der hohen Decken, den grossen Fenstern und des hellen Kiefernholzes wirkt die Mylla Hytte aber alles andere als beengend.
Norwegisches Wohngefühl
Der Flur ist zwar schmal, dient aber auch als Raumtrenner zu den Hochbetten der Kinder.
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Von einer solchen Aussicht kann die Familie Young in ihrer Osloer Stadtwohnung nur träumen. Hier erlebt sie sie sogar schon beim Aufwachen.
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Erdgeschoss
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Sauna
Norwegisches Wohngefühl
Südfassade
Norwegisches Wohngefühl
Nordfassade
Norwegisches Wohngefühl
Ostfassade
Norwegisches Wohngefühl
Westfassade
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