Harte Schale, natürlicher Kern
Vor- und zurückspringende Glasbandfenster mit blauem Rahmen durchbrechen den weiss gefärbten Sichtbeton und geben diesem Haus ein markantes Gesicht. Im Innern jedoch funktionieren sie als Bilderrahmen und Sitznischen.

Architektonisch aussergewöhnlich
Neben der Aussicht auf den See geniesst die Bauherrin vor allem die lauen Sommerabende: «Am Sternenhimmel kann ich mich fast nicht sattsehen.» Während der Wohnbereich zuoberst von der ganzen Familie genutzt wird, sind Elternschlafzimmer, Ankleide sowie zwei Arbeitszimmer und zwei Bäder im Zwischengeschoss zu finden. Im Erdgeschoss sind die Kinder zu Hause. Dort befindet sich auch ein Fitness- und Wellnessbereich für die Familie.
Ihr behagt das Leben im architektonisch aussergewöhnlichen Neubau. Das Gesicht des Hauses ist durch vor- und zurückspringende, dunkelblau gerahmte Glasbandfenster charakterisiert. Die vertikal gewellten, vorfabrizierten Elemente aus weiss gefärbtem Sichtbeton unterbrechen die Glasfronten. Was die Architekten von Andreas Fuhrimann / Gabrielle Hächler als «reflexive Moderne» bezeichnen, bricht die ästhetische Härte der modernen Fassade auf. Während die Bauherrin mit der säulenhaften Struktur Anmutungen an einen Paravent oder einen Radiator verbindet, erinnert die Architekten die vertikale Profilierung an klassische Stützenreihen. Das milchige Weiss der Hauswand verleiht der Front den Charakter eines Kunstwerks. Zugleich vermittelt die helle Farbe eine gewisse Sanftheit, die sich über vier Kanäle ins Hausinnere übersetzt.
Holz als Rückgrat
Der im Hausinnern weiss gestrichene Sichtbeton verleiht den Räumen Weite, teilweise gar eine museale Atmosphäre. Der helle Travertinboden zieht sich durch alle vier Wohngeschosse und sogar nach draussen auf die an den Wohnbereich und die Küche grenzende Sonnenterrasse. Im Kontrast dazu steht farblich der grüne Guatemala-Verde-Marmor. Jedoch ergänzt er im Wohnbereich als Cheminée das maritime Flair. In den Badezimmern vermittelt der dunkelgrüne Stein ein umarmendes Gefühl und erinnert dabei an eine orientalische Wasserstelle. Beide Naturmaterialien erden im Zusammenspiel mit der wandhohen Bibliothek im Treppenraum zwischen dem ersten und zweiten Geschoss. Sie besteht aus ungarischem Nussbaumholz und bildet mit der Treppe aus dem gleichen Holz das Rückgrat des Einfamilienhauses. Das mit Nischen und Vitrinen durchsetzte Büchergestell ergänzt den musealen Charakter des oberen Treppenraums beinahe organisch. Dort nämlich, wo die Treppe vom zweiten in den dritten Stock führt, dienen die mehrere Meter hohen weissen Betonwände, die dank Dachluken und Oberlichtern viel Tageslicht erhalten, als Ausstellungsraum für die Kunstwerke der Hausbesitzer. Das warme braune Holz tritt in der Ankleide, im Büro und als Raumtrenner wiederholt in Erscheinung. «Wir haben wenig, dafür durchgehende Materialien», so der Bauherr. Die nach aussen vorstehenden Fensterfronten werden im Innern des Hauses zu erkerartigen Sitzbänken mit Seesicht oder zu Blumenfenstern auf der Rückseite des Hauses. «Die Fenster funktionieren wie Bilderrahmen», sagt der Bauherr. Dafür sorgt hauptsächlich der Garten, der einen lebendigen Kontrast zum kantigen Äussern des Hauses darstellt.
Der Bau als Härtetest
Lebendig beschreiben die Bauherren auch die zweijährige Planung zusammen mit den Architekten. «Wir kennen uns seit dem Gymnasium. Schön, hat sich der Eigenheimbau mit einer ehemaligen Schulkollegin realisieren lassen», sagt die Bauherrin. Wie bei jedem Hausbau gab es auch in diesem Fall Herausforderungen. «Lang waren wir uns nicht sicher beim Betonbau. Anfänglich waren uns die Ideen der Architekten zu radikal», fährt die Bauherrin fort.
Der intensivste Teil der Planung waren die Fassade und die Materialisierung des Hauses. Die Hausbesitzer bezeichnen diese Phase als «ästhetische Herausforderung». Ein Hausbau sei immer auch ein Härtetest – für das Ehepaar oder aber für die Freundschaft mit den Architekten –, ist der Hausherr überzeugt. Wie sich zeigt, haben sie beide Proben bestanden. «Schrittweise, mit Verständnis für die Bedürfnisse der anderen Partei», sagt die Bauherrin. «Mit Vertrauen in die gestalterischen Fähigkeiten der Architekten», ergänzt der Ehemann. Ein anderes Vorgehen hätten sie rückblickend kaum gewählt.
Die Bauherrin
Architekten-Interview
Gabrielle Hächler, wenn das Gelände der Architektur nicht viel Spielraum lässt, woher zaubern sie dann Ideen und Kreativität?
Einschränkungen sind immer Teil eines Entwurfs und sind die Herausforderung, die es zu meistern gilt. Dabei müssen Nachteile in Vorteile verwandelt werden. Alle Parameter – seien es baurechtliche, programmatische, terrainverlaufende oder topografische – müssen in ein Konzept des Hauses führen, dem man die Auflagen nicht mehr ansieht, sondern das einzig und allein als Architekturkonzept mit stimmigem Ausdruck überzeugt.
Besonders auffallend sind die hervorstehenden Bandfenster und die optisch gewellt wirkenden Betonelemente, die an einen Paravent erinnern. Wie kamen Sie darauf?
Die Paraventanalogie ist etwas weit hergeholt. Die vertikal profilierten Fassadenelemente bilden einen Kontrast zu der sonst horizontalen Schichtung des Hauses, verleihen der Fassade zusätzliche Plastizität und sorgen bei Sonnenlicht für ein attraktives Schattenspiel.
Sie bezeichnen die Fassade des Hauses als «reflexive Moderne» – was bedeutet das?
Am Beispiel der oben beschriebenen Fassadenelemente kann die reflexive Moderne gut gezeigt werden: Ihre Gliederung erinnert an eine klassische Stützenreihe, die das Haus damit in der vormodernen Bautradition verankert.
Die Fassade steht also im Kontrast zum modernen, eleganten Innenleben. Woher kommt diese Diskrepanz?
Wir finden nicht, dass das eine Diskrepanz darstellt. Das Gebäude verfügt über ein Gesamtkonzept, bei dem die Fassadengestaltung und das Innenleben ineinandergreifen. Die hervorstehenden Fenster gliedern von aussen reliefartig die Fassade, von innen rahmen sie die Aussicht zu Panoramabildern und sind gleichzeitig Sitzgelegenheiten und Ablageflächen. Das elegante Innenleben wird erheblich bereichert durch diese Nutzungsmöglichkeiten.
Welche Herausforderungen hatten Sie bei diesem Objekt zu bewältigen?
Die vertikale Erschliessung durch die steile Hanglage war die grösste Herausforderung bei diesem Projekt. Dies resultiert im spektakulären Treppenraum, der über drei Geschosse rückseitig im Terrain liegt. Kombiniert mit einem Büchergestell und Ausstellungsvitrinen über die gesamte Rückwand und den geschickt platzierten Oberlichtern wird der Treppenraum zueinem attraktiven Erlebnis.
Was ist Ihr persönliches Highlight bei diesem Bau?
Der tektonische Aufbau der Fassade, der wie eine Gesteinsschichtung im Gebirge mit Vor- und Rücksprüngen eine reliefartige Ausprägung hat, begeistert uns sehr. Diese Komplexität der Detaillierung kann selten realisiert werden und ist der architekturbegeisterten Bauherrschaft geschuldet.
TECHNISCHE ANGABEN





[ ARCHITEKTUR ]
Andreas Fuhrimann Gabrielle Hächler Architekten | afgh.ch
[ KONSTRUKTION ]
Massivbau | Flachdach | Fassade: Sichtbeton, weiss gefärbt
[ Raumangebot ]
Nettowohnfläche: 657 m² | Anzahl Zimmer: 9
[ Ausbau ]
Boden: Travertin | Wände: Sichtbeton, weiss gestrichen | Fenster: Metall
[ Technik ]
Wasser-Luft-Wärmepumpe | Bodenheizung | Cheminée


























