Ein Ruhepol Mitten im Geschehen

Eine Aussicht ohnegleichen und ein öffentlicher Standort machen dieses Haus in Aarburg zu einem einzigartigen Projekt, dessen Architektur das private Innenleben und das öffentliche Aussenleben nicht in Konflikt treten lässt.

Ein Ruhepol Mitten im Geschehen
Die unvergleichliche Aussicht über die Aarewaage auf die Burg und auf den Wald am anderen Ufer weiss die Bauherrschaft zu schätzen. Die Brüstungen schützen die Innenräume diskret vor den Blicken der Passanten, die direkt am Haus vorbeigehen.
Text Anna Ettlin / Fotos Tanya Hasler
Eine Aussicht ohnegleichen und ein öffentlicher Standort machen dieses Haus in Aarburg zu einem einzigartigen Projekt, dessen Architektur das private Innenleben und das öffentliche Aussenleben nicht in Konflikt treten lässt.
Eines Tages, sagte sich Stefan Steiner, werde er ein Haus an der Aare haben. Der Unternehmer lebt seit 47 Jahren in Aarburg. Beim Spazieren stiess er eines Tages auf ein «Zu verkaufen»-Schild. Das alte Gebäude lag direkt an einem öffentlichen Gehweg entlang der Aare. «Ich war sicher schon tausendmal dort hindurchgelaufen», erinnert sich Stefan Steiner. Diese Gelegenheit wollte er nicht verpassen: Innerhalb weniger Tage hatte er das Grundstück gekauft.

Rücksicht auf das Wasser

Die Planung in der Kernzone, die der Bauherr mit dem Solothurner Architekturbüro Dual Architekten anging, gestaltete sich relativ komplex. «Das Grundstück ist auf drei Seiten von öffentlichem Raum umgeben», sagt Architekt Urs Allemann. Das verlangte viel Fingerspitzengefühl vom Planungsteam. «Wir wollten dem Bau eine Formensprache geben, die nicht zu sehr nach Einfamilienhaus aussieht», erklärt der Architekt. «Auf den ersten Blick sollte es so wirken, als könnte es auch ein Restaurant oder eine Bar sein.» Zugleich sollte das Gebäude seinen Zweck als Wohnhaus erfüllen. «Die Baubewilligung zu erhalten, war nicht ganz einfach», erinnern sich Architekt und Bauherr. Schlussendlich konnte der Bau aber beginnen. 48 Pfähle tragen das Betonhaus, da das Flussufer nicht die nötige Stabilität bietet. Die Nähe zum Wasser bedingte auch eine Hochwasser-sichere Bauweise. «Im Falle eines Hochwassers muss das Untergeschoss geflutet werden», sagt Stefan Steiner. Die empfindliche Technik wurde in einem mit Hochwasser-Schutztüren abgeschlossenen Raum untergebracht, das Auto kann der Hausbesitzer auf einem höher gelegenen Parkplatz in Sicherheit bringen. Das Erdgeschoss sollte trocken bleiben: Eine Wasserstand-Tafel an der Hauswand zeigt, dass es selbst das Rekord-Hochwasser von 1852 nicht erreicht hätte.

Der Alltag von Stefan Steiner und seiner Lebenspartnerin spielt sich im Erd- und Obergeschoss ab. Aus jedem Raum öffnet sich eine eindrückliche Aussicht über die Aare und die Burg, die durch rahmenlose Sky-Frame-Fenster besonders gut zur Geltung kommt. Im Erdgeschoss liegen die Privaträume, durch Schiebetüren voneinander getrennt. Zwei Schlafzimmer und ein künftiges Kinderzimmer werden von einem grosszügigen Bad, einer Ankleide und einer Waschküche ergänzt. Auf dem der Burg zugewandten Teil des Stockwerks liegt ein offener Bereich mit Terrasse, der in ein Büro und ein Fernsehzimmer unterteilt ist. Sämtliche Innenwände hat Stefan Steiner in Leichtbauweise ausführen lassen, sodass das Haus bei Bedarf beispielsweise zu einem Restaurant umgebaut werden kann. Ein Liftschacht wurde ebenfalls bereits eingebaut. «So kann man auch barrierefrei wohnen», sagt der Hausbesitzer. Zurzeit führt nur eine Treppe ins Obergeschoss, das aus einem einzigen grossen, auf drei Seiten verglasten Raum besteht. Die offene Küche, der Esstisch und das Wohnzimmer werden von einer umlaufenden Terrasse ergänzt, die im Osten einen überdachten Sitzplatz mit Burgsicht, im Westen viel Platz unter freiem Himmel bietet. Da das Haus das Grundstück fast komplett ausfüllt, hat es keinen Garten – was Stefan Steiner nicht im Geringsten stört. «Ich hatte vorher einen Garten von fast 2000 m²und war das Gärtnern leid», sagt er. «Nun habe ich ein Haus, das die Vorteile einer Stadtwohnung bietet.» Anstatt Zeit für die Pflege eines Gartens aufzuwenden, verweilen Stefan Steiner und seine Partnerin gerne auf der Terrasse und geniessen die Aussicht. «Seit wir hier wohnen, sehe ich viel weniger fern», sagt der Hausbesitzer. Ob das bunte Treiben in der Altstadt oder die Wasservögel auf dem Fluss oder die Biber im Wald am gegenüberliegenden Ufer – es gibt immer etwas zu beobachten.

«Ich sehe jetzt viel weniger fern, da sich draussen immer etwas bewegt.»Stefan Steiner, Bauherr

Architekten-Interview

Urs Allemann, Architekt und Mitinhaber.

Dual Architekten BSA, Solothurn. www.dual.ch

Urs Allemann, was gefällt Ihnen am Standort des Hauses in Aarburg besonders gut ?

Die Auseinandersetzung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum interessiert Marcel Hügi und mich sehr. Einerseits sind da die Burg, die Grünzone und der öffentliche Gehweg. Andererseits hat es neben diesem Haus noch alte Bestandsgebäude, die auch ihren eigenen Charakter haben. Wir mussten einen Übergang dazwischen schaffen und gleichzeitig ein privates Haus bauen, in dem sich die Bewohner wohlfühlen.

Ist Dual Architektur auf Wohnhäuser spezialisiert oder bauen Sie auch anderes?

Wir schränken uns nicht ein. Von Industrie-Hallen bis zu kleinen Pavillons bauen wir alles. Oft sind kleine Projekte sogar anspruchsvoller und interessanter als grosse. Damit kann man aus einem «Unort» – einem Ort, an dem architektonisch nichts zusammenpasst – etwas Schönes entstehen lassen. Das finden wir spannend. Als Autodidakten, die aus anderen Berufsfeldern in die Architektur gekommen sind, setzen wir uns intensiv damit auseinander und schaffen Objekte, die nicht alltäglich sind. Das Wichtigste für uns ist der Ort, denn er sagt dem Architekten, wie er sich verhalten muss. Das war auch in Aarburg ein grosses Thema.

Wenn Sie ein unlimitiertes Budget hätten, was würden Sie bauen und wo?

Dann würde ich den Auftrag einem guten Architekten erteilen! Wenn ich das Budget hätte, würde ich gerne jemanden engagieren, den ich wirklich bewundere – und dann würde ich ihm möglichst nicht dreinreden. Einen spezifischen Ort habe ich nicht im Sinn. Ich finde es sowohl in den Bergen als auch am Wasser sehr schön.

Was macht aus Ihrer Sicht einen guten Architekten aus?

Ein guter Architekt sollte den Ort respektieren. Dabei gilt es nicht nur die Hausbewohner, sondern auch Personen im öffentlichen Raum zu berücksichtigen. Wenn Sie beispielsweise nachts an einem voll verglasten Haus vorbeigehen und jemanden darin sehen, schauen Sie automatisch hin. Wenn Sie den Bewohner in einem privaten Moment beobachten, sind Sie ein Voyeur – spätestens dann, wenn der Bewohner Sie auch sieht. Dann fühlen Sie sich gestört und laufen vielleicht gar nicht mehr dort durch. Das sollte man vermeiden, und zwar schon mit der Architektur und nicht erst mit der Gartenhecke. Wie sich der Bewohner im Haus verhält, bleibt aber weiterhin ihm überlassen.

TECHNISCHE ANGABEN

[ ARCHITEKTUR ]

Dual Architekten BSA SIA

Marcel Hügi & Urs Allemann

Solothurn | www.dual.ch

[ KONSTRUKTION ]

Massivbau | Wände und Decken: Beton | Flachdach | Fassade: vorfabrizierte Elemente aus Weiss-Sichtbeton

[ Raumangebot ]

Nettowohnfläche: 280 m² | Anzahl Zimmer: 5,5

[ Ausbau ]

Boden: Parkett Eiche geseift | Wände: Sichtbeton poliert | Decken: Sichtbeton | Fenster: Sky-Frame

[ Technik ]

Wasser-Wasser-Wärmepumpe | Fussbodenheizung | Cheminée

Ein Ruhepol Mitten im Geschehen
Die gerundeten weissen Bänder der Fassade nehmen Bezug zur Burg auf und versöhnen das Wohnhaus geschickt mit seiner öffentlichen Umgebung.
Ein Ruhepol Mitten im Geschehen
Da ein öffentlicher Gehweg am Haus vorbeiführt, wurde bei der Architektur besonders viel Wert darauf gelegt, dass die Innenräume nicht einsehbar sind.
Ein Ruhepol Mitten im Geschehen
Ein Oberlicht und eine beleuchtete Drahtskulptur bringen zusätzliches Licht in den Eingangsbereich im Untergeschoss.
Ein Ruhepol Mitten im Geschehen
Auch aus den Schlafzimmern und dem Bad im Erdgeschoss geniesst man freie Sicht auf die Burg und die Aare. Schiebefenster gewähren Zugang zu einer schmalen Terrasse.
Ein Ruhepol Mitten im Geschehen
Ein Ruhepol Mitten im Geschehen
Nebst dem Wohnzimmer mit Cheminée im Obergeschoss lädt auch ein Fernsehzimmer im Erdgeschoss zum Entspannen ein.
Ein Ruhepol Mitten im Geschehen
Die grosszügige und hochwertige Küche von Brunner Küchen wurde mit Miele-Geräten ausgestattet.
Ein Ruhepol Mitten im Geschehen
Anstelle eines Gartens bietet das Haus eine weitläufige Terrasse, auf der grosse Kübelpflanzen gedeihen.
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