Charaktervolle Architektur

Gross, hell und mit Aussicht: Diese Ansprüche stellen viele Bauherrschaften an ihr neues Zuhause. Doch in diesem Haus im Tessin steckt noch viel mehr. Seine dynamische Architektur bietet Rückzugsorte und macht die Schönheit der Natur erlebbar.

Charaktervolle Architektur
Text Anna Ettlin | Fotos Tanya Hasler
Gross, hell und mit Aussicht: Diese Ansprüche stellen viele Bauherrschaften an ihr neues Zuhause. Doch in diesem Haus im Tessin steckt noch viel mehr. Seine dynamische Architektur bietet Rückzugsorte und macht die Schönheit der Natur erlebbar.
Die junge dreiköpfige Familie wohnte in einem Doppel-Einfamilienhaus in Porza bei Lugano. Spaziergänge im ruhigen Dörfchen führten sie immer wieder an einem schönen Hanggrundstück vorbei. Könnte man darauf ein Haus mit Seesicht bauen? Diese Frage stellte das Ehepaar dem befreundeten Architekten Mikail Akbas aus Chiasso. Nach den ersten Abklärungen stand fest, dass die geografische Lage und die Bauvorschriften der Gemeinde das Wunschhaus der Familie zulassen würden. Das Ehepaar beschloss, das Grundstück zu kaufen und mit der Planung des neuen Eigenheims zu beginnen. Die Entscheidung erwies sich schnell als richtig: Kurz vor der Fertigstellung des grossen Hauses am Hang wurde das zweite Kind des Ehepaars, eine Tochter, geboren.

Kluge Architektur

Das neue Haus bietet alles, was die junge Familie braucht, und das mit Stil. «Ich dachte, wenn wir schon mit einem Architekten ein Haus bauen, darf es auch etwas Spezielles sein und nicht einfach nur ein rechteckiger Kasten», sagt die Bauherrin. Zunächst experimentierte der Architekt mit einem L-förmigen Grundriss. Dieser wollte allerdings nicht so richtig auf das Grundstück passen, das auf zwei Seiten durch die Strasse begrenzt ist und dadurch eine etwas eigenartige Form bekommt. Weder die Bauherrschaft noch der Architekt selbst waren mit dem ersten Entwurf zufrieden, also setzte sich Mikail Akbas nochmal ans (digitale) Reissbrett.

Entstanden ist ein Haus, das aus zwei leicht versetzten Volumen besteht, die in der Mitte durch ein schmales Passstück verbunden sind. Die West- und Nordfassade sind, dem Strassenverlauf folgend, in einem stumpfen Winkel zueinander angeordnet und schaffen eine spannende Architektur, welche die ästhetischen Wünsche der Bauherrschaft erfüllt. Der neue Entwurf überzeugte die Bauherrschaft auch mit einem grösseren Volumen, was wiederum ein grosszügiges Raumprogramm ermöglicht, das der Familie viel Platz für gemeinsame Aktivitäten, aber auch ruhige Rückzugsmomente bietet. Mit minimalen Anpassungen konnte der zweite Entwurf in die Tat umgesetzt werden. Die Planung und die Bauphase nahmen je etwa ein Jahr in Anspruch. «Wir wohnten nur fünf Gehminuten von hier, also waren wir viel auf der Baustelle», erinnert sich die Bauherrschaft. Auch Mikail Akbas, der die Bauleitung selbst übernommen hat, war täglich vor Ort, worauf die Bauherrschaft zurückführt, dass die Bauphase ohne grössere Mängel gelang.

Da sich der Familiennachwuchs ankündigte, als der Bau bereits begonnen war, musste die Familie flexibel umdenken. Aus dem geplanten grossen Hauswirtschaftsraum wurde ein zweites Kinderzimmer – hell und in praktischer Nähe zum Elternschlafzimmer. «Unsere Tochter war drei Monate alt, als wir einzogen», erinnert sich die Bauherrin. «Das war schon ein bisschen streng.» Der ältere Sohn, der zum Zeitpunkt des Einzugs fünf Jahre alt war, bekam sein neues Zimmer als Überraschung: «Wir haben es schön eingerichtet, als er drei Tage lang bei den Grosseltern auf Besuch war», sagt die Mutter. Die beiden Kinderzimmer, wie auch das Schlafzimmer der Eltern, liegen im Erdgeschoss. Das Obergeschoss wurde für Wohnzimmer, Essbereich und Küche vorgesehen. Da das Grundstück vor dem Bau etwas erhöht wurde, geniesst der Wohnbereich im oberen Stock eine grosszügige Aussicht auf den Luganersee.

Aus dem Bett in den Garten

Für das Hausinnere wünschte sich die Bauherrschaft viel Licht und einen warmen Holzboden. Der Architekt kombinierte weisse Wände und Decken mit einzelnen Sichtbetonwänden, was der Familie gut gefiel. Der Charakter des Hauses wird bereits im Entrée sichtbar: Hell und warm empfängt es die Besucher. Direkt gegenüber der Eingangstür führt eine Treppe mit Glasgeländer in den oberen Stock. Das leicht astige Eichenparkett zieht sich die Treppenstufen hoch. An der Treppe vorbei führt ein Gang zu den Privaträumen der Bauherrschaft. Die zwei Kinderzimmer teilen sich ein Bad, das Elternschlafzimmer verfügt über ein eigenes Bad mit Walk-in-Dusche. Ein grosses Gästezimmer mit Gästebad vervollständigt das Erdgeschoss. Die meisten Räume haben einen eigenen Zugang zum Garten, sodass die Bewohner jederzeit nach draussen können.

Blick fürs Wesentliche

Das Obergeschoss wurde offen gestaltet und auf drei Seiten mit raumhohen Schiebefenstern verglast. Die Sichtbetonwand bei der Treppe bringt Struktur in den ansonsten offenen Raum. Auf einer Seite davon liegt die weisse Küche von Varenna mit einem praktischen Reduit und einer angebauten Bar, an der die Kinder ihr «Zvieri» essen und die Eltern einen Kaffee geniessen können. Die Arbeitsoberflächen der Küche liess die eher gross gewachsene Bauherrschaft etwas höher machen als Standardmass. Ein lang gezogenes Fenster über der Küchenzeile bringt Tageslicht in die Küche, und ein Oberlicht im Reduit macht künstliche Beleuchtung tagsüber auch dort überflüssig.

Auf der anderen Seite der Treppe liegt ein Bereich, der den Kindern als Spielecke dient. Von hier aus gelangt man auch ins Gäste-WC. Der vordere Teil des Obergeschosses enthält das grosse, sonnige Wohn- und Esszimmer. Zwei Balkone erweitern den Wohnraum nach aussen: ein Kleinerer beim Esszimmer und ein Grösserer beim Wohnzimmer. Hier verbringt die Familie vor allem im Sommer am liebsten ihre Zeit. Ein längliches Element, das ein Cheminée von Rüegg Cheminée AG und eine praktische Nische für den Fernseher beherbergt, dient als Raumteiler zur Treppe. In dunklen Tönen gehaltene Möbel harmonieren mit dem Parkettboden und den schmalen Rahmen der grossen Schiebefenster, die den Blick auf den Lago di Lugano und die Umgebung freigeben – das Highlight des Hauses. Von hier aus verfolgt die Bauherrschaft die vielseitigen Stimmungen und Launen der Natur – ob blauer Himmel, Wolken oder Sommergewitter – die über dem Monte San Salvatore aufziehen. Abends, wenn die Lichter der grossen und kleinen Gemeinden rund um den See aufleuchten, sitzen die Hausbewohner gerne auf einem der Balkone und lassen den Tag gemütlich ausklingen.

«Wir wollten kein rechteckiges Haus, sondern eines mit einer speziellen Architektur.»
Die Bauherrin

Architekten-Interview

Mikail Akbas, welche Herausforderungen gab es bei der Planung dieses Hauses ?
Die Form des Grundstücks war die grösste Schwierigkeit. Es liegt am Hang und wird von der Strasse begrenzt. Es galt, darauf ein ausreichend grosses Haus zu bauen und dabei alle Mindestabstände einzuhalten.

Wie hat das Ihren Entwurf beeinflusst?
Ich habe ein Haus mit zwei Volumen geplant, die gegeneinander versetzt sind, um in die Strassenkurve zu passen. Das Mittelstück mit der Treppe und dem Eingang trennt die Volumen visuell voneinander.

Wie unterscheidet sich dieses Haus von Ihren anderen Projekten ?
Meine Projekte zeichnen sich durch viel Glas und Sichtbeton aus. Das ist bei diesem Haus nicht anders. Das Besondere ist die Raumaufteilung: Um die Aussicht zur Geltung kommen zu lassen, haben wir das Wohn- und Esszimmer ins Obergeschoss gelegt und die Schlafzimmer ins Erdgeschoss.

Was macht die Essenz dieses Hauses aus?
Es ist ein Haus, in dem es sich gut leben lässt. Im Innenraum finden sich sowohl grosse offene Flächen als auch kleine Räume und Ecken, in die man sich zurückziehen kann. Und es hat ein sehr warmes, gemütliches Ambiente.

Was macht ein gutes Einfamilienhaus aus ?
Ein Einfamilienhaus wird gebaut, damit Menschen darin wohnen können. Ein gutes Haus ist auf das Wohlfühlen ausgerichtet. Das erreicht man einerseits mit einer auf den Menschen abgestimmten Raumeinteilung und -gestaltung, andererseits durch das Licht und die verwendeten Materialien. Aber auch das Raumklima ist sehr wichtig.

Gibt es aus Ihrer Sicht als Tessiner Architekt Unterschiede zwischen dem Bauen in der Deutschschweiz und dem Bauen im Tessin ?
Ein wesentlicher Unterschied ist das Klima. Auf dieser Seite der Alpen ist es viel wärmer. In diesem Haus kommt deshalb eine Klima-Anlage zum Einsatz, und die Fenster sind mit Spezialglas ausgestattet. Allerdings können wir im Tessin dank dem Klima auch mehr Solar-Energie nutzen, wie wir dies auch bei diesem Haus tun.

Charaktervolle Architektur
Obergeschoss
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Erdgeschoss
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Kellergeschoss

TECHNISCHE ANGABEN

[ ARCHITEKTUR ]

Mikail Akbas, Chiasso | mikailakbas.ch

[ KONSTRUKTION ]

Massivbau | Flachdach | Fassade: verputzt

[ Raumangebot ]

UG: 138 m² | EG: 106 m² | OG: 88 m² | Anzahl Zimmer: 7

[ Ausbau ]

Boden: Eichenparkett geölt, Platten in den Nassräumen | Wände: Putz, Sichtbeton | Fenster: Aluminium

[ Technik ]

Gasheizung | Solarkollektoren | Vorbereitungen für eine Photovoltaikanlage | Cheminée

Charaktervolle Architektur
Die weisse Küche ist zwar offen zum Wohnraum, aber ganz klar ein separater Bereich. Ein geschickt platziertes Fenster sorgt für viel Tageslicht.
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Die Schiebefenster beim Esszimmer lassen sich übers Eck öffnen. Ein kleiner Balkon mit Sofaecke lädt zum gemütlichen Lesen bei einem Kaffee ein.
Charaktervolle Architektur
Der grosszügige Wohn- und Essbereich ist dank den grossen Fenstern hell und freundlich. Ein Cheminée schafft im Winter eine wohlige Stimmung.
Charaktervolle Architektur
Das ruhig und elegant gestaltete Elternschlafzimmer im Erdgeschoss verfügt über ein eigenes Badezimmer und einen direkten Zugang zum Garten.
Charaktervolle Architektur
Das Elternbadezimmer gibt sich puristisch. Aufsatzwaschbecken ruhen auf einem langen Waschtisch. Wandarmaturen von Gessi ergänzen die Ausstattung.
Charaktervolle Architektur
Neben der Garage liegt ein praktischer Werkraum, in dem der Bauherr manchmal an seinem Motorrad arbeitet, während die Kinder nebenan basteln oder zuschauen.
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Die Schlafräume liegen im Erdgeschoss, damit der Wohnraum im Obergeschoss die Aussicht auf den See ausschöpfen kann.
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Mikail Akbas, Architekt, Chiasso. mikailakbas.ch
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