Kräutermagie

Die Naturköchin Rebecca Clopath ist versierte Unternehmerin. Als Jungköchin hat sie 2010 mit der Junioren-Nationalmannschaft Doppel-Gold und den Gesamt-Weltsieg geholt. Sie führt mit ihrer Familie einen Biobauernhof auf 1600 Metern über Meer.

Die Passion der Schweizer Gastronomin und engagierten Biobäuerin liegt in der Naturküche. Das zum Restaurant umfunktionierte elterliche Bauernhaus in der höchstgelegenen Gemeinde Schams dient Rebecca Clopath als Zuhause, als Arbeitsort und als Laboratorium, in dem sie mit saisonalen Anpflanzungen in Erfahrung bringt, welche Gemüse- und Kräutersorten hier gut gedeihen. Sie geht ihren ganz eigenen Weg, verbunden mit Natur und Essen.

Im Eventlokal auf dem Biohof Taratsch bringt sie den Geschmack der Alpen auf den Teller. Es ist ein Gesamtkonzept, welches auf Kreislaufwirtschaft beruht. Das Team arbeitet so nahe wie möglich mit der Natur und Landwirtschaft, den Tieren und Menschen zusammen. Aus einem der drei auf verschiedenen Höhenlagen gelegenen Gärten wird nun ein Zengarten. Weil es dazu der perfekte Ort sei und mehr Wert habe, weil es dem Team guttue, sagt sie. Eine Aussage, die ihre Einstellung widerspiegelt. Beim Sammeln von Beeren und Wildkräutern und bei einem bodenständigen, aber ausgezeichneten Mittagessen inklusive Thymian-Lupinenkaffee spricht die 35-Jährige mit uns über ihre Philosophie.

Rebecca Clopath, bei Ihnen steht eine gesunde und bodenständige Ernährung durch rein lokale Produkte im Vordergrund. Wie kam es dazu?

In der skandinavischen Region ist «lokal» regional, aber in Dänemark gilt etwas noch als «lokal», wenn es aus Nordnorwegen bezogen wird. Für mich bedeutet es: aus einer Region mit denselben Eigenschaften. Ich konzentriere mich auf die Alpenregion, eine kleine Bandbreite auf der Weltkugel, die sich von Südfrankreich bis nach Slowenien erstreckt, ein liegender Halbmond. Für unsere Gastronomie finde ich spannend, wie viele Menschen sich mit grossartigen Produkten auseinandersetzen und hier unter erschwerten Bedingungen anbauen. Für meine Küche bedeutet es immer wieder ein Neuentdecken eines Lebensmittels: Wie kann man es anders einsetzen und etwas Schönes daraus machen? So geht man in die Tiefe des Produkts und gibt der Region mehr Wertschätzung.

In ihrem Bündner Heimatdorf zeigt die Naturköchin, wie ein bewusster Umgang mit Nahrung aussehen kann. Da ihre improvisierte Küche über keinen Herd verfügt, kocht Rebecca Clopath oft und gerne auf dem Feuerring.
In ihrem Bündner Heimatdorf zeigt die Naturköchin, wie ein bewusster Umgang mit Nahrung aussehen kann. Da ihre improvisierte Küche über keinen Herd verfügt, kocht Rebecca Clopath oft und gerne auf dem Feuerring.

Wie erreichen Sie das Ziel der Umgebungstreue?

Wir starten in der Küche immer mit der Frage: Was haben wir hier, was hat der Hof produziert? Wir betreiben drei topografische Gärten auf verschiedenen Lagen, von 1400 bis 1900 Meter über Meer. Das sind Versuchsgärten, um herauszufinden, was hier anzubauen Sinn ergibt. Zudem gehen wir viel wild ernten, im Frühling Wildpflanzen, im Herbst Beeren und Gewürze. Der Grossteil der Grundnahrungsmittel wie Getreide, Gemüse oder Mais stammt von sehr lokalen Produzentinnen, 85 Prozent beziehen wir aus Graubünden, wenn immer möglich, Demeter oder biologisch. Raritäten finden von weiter weg zu uns, zum Beispiel Ingwer aus Chur oder dem Thurgau, Zitronengras aus Ems oder Zitrusfrüchte aus dem Waadtland. Dort werden circa 120 verschiedene Zitrussorten in geringen Mengen produziert. Wir dürfen immer mal wieder etwas davon beziehen. Darum ist das Lebensmittel sehr wertvoll. Nur auspressen und wegwerfen kann ich nicht, wir verwenden davon alles. Es entstehen kandierte Süssigkeiten oder Limoncello. Steht etwas nicht unbegrenzt zur Verfügung, steigt der Wert des Produkts – nicht dessen Preis. Die Natur hat ihren Wert, wir dürfen sie nicht ausbeuten. Uns Menschen war lange nicht bewusst, dass die Natur endlich ist. Nun kommt dieses Bewusstsein langsam, und es stellt sich die Frage, wie wir unser Verhalten ändern können. Dies ist mein Weg, wie ich zu ihrem Erhalt beitragen kann. Ich honoriere, was aus der Natur kommt – angebaut oder wild geerntet.

Welche Rolle spielen Kräuter in Ihrer Küche?

Mit dem Einsatz von Kräutern – kultivierten wie auch wilden – wird alles feiner. Wir sammeln viele: Der Wiesenkümmel zum Beispiel ist viel ätherischer und runder im Geschmack als der kultivierte. Grüne Wacholderbeeren geben Kombucha extra Frische. Mit Kräutern kann man alles noch pfiffiger machen, wie es mich meine Mutter gelehrt hat. Sie hat sehr fein gekocht, rund, ich fand die dabei entstehenden Gerüche und Geschmäcker schon immer etwas Spannendes. Bei uns gab es auch mal afrikanisch oder asiatisch, so assen wir Sushirollen zum Zvieri statt immer nur Brötli. Aber Rohes vertrage ich nicht gut, darum koche ich so gerne. In meinen Menüs und für meine Gäste lasse ich es deswegen jedoch nicht aus. Wie sich die Produkte durch diesen Prozess verändern, ist faszinierend.

Sie nutzen alles am Tier. Wie verarbeiten Sie das Fleisch?

Ein Teil wird direkt als «Nose to Tail» vermarktet, sprich, die Bestellenden bekommen von allem etwas. Würste und Schinken stellen wir direkt auf dem Hof her. Schmoren finde ich eine schöne Zubereitungsart, ob auf dem Feuerring oder im Ofen. Auf dem Menü findet sich verhältnismässig sehr wenig Fleisch, aber wenn, dann sorgfältig serviert: Wir sagen immer, wie das Tier hiess.

Würste und Schinken werden direkt auf dem Biohof Taratsch her- gestellt. Teammitglied und Köchin Lisa Jankovics hängt die frischen Würste zum Trocknen auf.
Würste und Schinken werden direkt auf dem Biohof Taratsch her- gestellt. Teammitglied und Köchin Lisa Jankovics hängt die frischen Würste zum Trocknen auf.

Was inspiriert Sie zur Kreierung neuer Rezepte?

Ich habe mit meinen «Esswahrnehmungen» ein System gefunden, das für mich funktioniert. Sie sind ein Happening, wie ein Theater. Ziel ist, dass man nach den neun Gängen nicht nur einen vollen Bauch hat, sondern die Alpenregion Graubündens mit neuen Gedanken und Impressionen verlässt. Jede dieser kulinarischen Reisen hat ihr eigenes Thema, von dem wir zur Menügestaltung ausgehen. Im Frühling war dies «Alpenvögel», dazu haben wir für jeden Gang einen Vogel vorgestellt und Interpretationen davon gemacht. Es entstanden Fragen wie: Wie kommt man von einem Vogel auf ein Dessert? Es dürfen verrückte Sachen sein, wie beim Menügang zum Steinhuhn. Dieses macht scheinbar die schönsten Brutnester und legt sehr ansprechende Eier. Aus Kartoffeln kreierten wir ein mit karamellierter Selleriecreme bespritztes Nest und servierten dazu ein in Butter confiertes Wachteleigelb mit Giersch. Letzteres ist ein Wildgemüse, dessen feine Note nach Stangensellerie und Peterli schmeckt. Zum Thema «Texturen der Alpen», welches wir im Winter spielten, integrierten wir essbare Gesteine und richteten Gemüse und Frischkäse so an, dass es wie eine Berglandschaft aus- sah. Spielerisch etwas zu präsentieren macht grossen Spass.

Mit welchen Utensilien zu kochen bereitet Ihnen denn auch Spass?

Mit meinen von meinem Zürcher Freund Marco Guldimann handgeschmiedeten Messern. Und ich koche sehr gerne auf dem Feuer mit dem Feuerring. Dies macht viel mit der Aromatik, es kocht anders und schmeckt anders, es hat etwas Archaisches und mehr Tiefe als ein Induktionsherd. Der ist mir zu glatt, hat wenig Charakter. Wenn man Holz gut einsetzt, ist es auch nachhaltig. Zudem existieren kleine Utensilien wie Gemüseschneider, mit denen das Gemüse oder der Käse sehr dünn wird und auch anders schmeckt – nie so vollmundig wie dick geschnitten oder grob gewürfelt. Hier im Dorf haben wir auch einen Gemeinschaftsofen, der im Ersten Weltkrieg gebaut wurde. Diesen nutzen wir gerne fürs Brotbacken. Er fasst bis zu 30 kg Teig, also 15 bis 30 Laibe, je nach Form.

« Wir bilden eine Gemeinschaft und zelebrieren das Miteinander – ohne grossen Tisch, dafür mit einer grossen Aussicht. »

Rebecca Clopath

Wie sieht Ihre optimale Kochumgebung aus?

Was ich jetzt habe, ist nicht meine Wunschküche, aber sie funktioniert. Meine Küche hier ist improvisiert, unspektakulär und schlecht ausgeleuchtet. Ursprünglich diente der Raum der Milchverarbeitung. Vor zehn Jahren eröffnete meine Mutter eine «Besenbeiz», hat hier Kuchen gebacken und weiterhin Milch verarbeitet. Es gibt ein grosses Lavabo, eine Spülmaschine und zwei Öfen, aber keinen Herd. Mittlerweile hat es Geräte drin, die Spass machen, wie meine Pacojet-Eismaschine oder der «Wet Grinder Twin Stones» zur Herstellung von Nugat. Könnte ich frisch von der Leber weg wünschen, hätte ich eine zweckmässige Küche mit viel Licht und Platz, einer Feuerstelle zum Kochen sowie einer grossen Insel zum Arbeiten und Rüsten. Sie wäre so eingerichtet, dass man sich wohlfühlt. Das trägt nämlich wesentlich dazu bei, wie das Essen herauskommt.

Und wie richten Sie sich zum privaten Essen am liebsten ein?

Ich wohne in einer WG, und wir kochen gerne miteinander. Mit den vorhandenen Esswaren wird getüftelt, bis etwas entsteht, das wir auftischen wollen. Wir bilden eine Gemeinschaft und zelebrieren das Miteinander – ohne grossen Tisch, dafür mit einer grossen Aussicht. Meistens finden sich vier bis sechs Personen ein, für die puristisch aufgedeckt wird. Generell lege ich mehr Wert auf ein hochwertiges Produkt, das fein abgeschmeckt ist, als auf ein weisses Tischtuch. Das Essen sollte das maximal Hochwertigste auf dem Tisch sein, nicht dessen Anrichte. Im Restaurant legen wir selbst getöpfertes Geschirr, mundgeblasene Gläser und geschmiedetes Besteck auf, aber kein Tischtuch.

Rebecca Clopath kocht gerne mit frischen Kräutern von Garten, Wald und Wiese, die sie selber sammelt und anbaut. Sie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, auch bei der Landwirtschaft.

Rebecca Clopath kocht gerne mit frischen Kräutern von Garten, Wald und Wiese, die sie selber sammelt und anbaut. Sie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, auch bei der Landwirtschaft.

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