Die Krone von Lugano

Wenn atemberaubendes Panorama auf pionierhafte Architektur trifft, dann entstehen ein schwarzes Wohntrapez mit bodenständiger Atmosphäre sowie eine Liebeserklärung an die grünen Berge des Tessins.

Die Krone von Lugano
Die Fassade der Villa ist ein wahrer Blickfang: Schwarz eingefärbter Sichtbeton wurde mit grobkörnigen Holzplatten kombiniert. Die pflanzliche Kulisse betont den Monolithen zusätzlich. Foto: Giorgio Marafioti
Text Lina Giusto | Fotos Alessandro Crinari, Giorgio Marafioti
Wenn atemberaubendes Panorama auf pionierhafte Architektur trifft, dann entstehen ein schwarzes Wohntrapez mit bodenständiger Atmosphäre sowie eine Liebeserklärung an die grünen Berge des Tessins.
Die Lage des schwarzen Sichtbeton-Monolithen besticht mit einer Aussicht, die bis zum Tessiner Dorf Capriasca reicht. Das Einfamilienhaus thront wie eine Krone auf den Hügeln hoch über Lugano. «Die Kriterien, wie sich das Gebäude in die Umgebung einfügt, wie auch seine Materialisierung waren Gegenstand einer langen Reflexion», sagt Architekt Attilio Panzeri vom Büro Attilio Panzeri & Partners. Die Morphologie zwischen Gelände und Ausrichtung – natürlich zum Lago di Lugano – inspirierte die Bauherren und den Architekten gleichermassen zu einem kompakten Hausblock. Zur Rückseite ist er geschlossen gehalten, dafür aber ist er auf den restlichen drei Gebäudeseiten für Licht und Ausblick offen. Struktur und Form der Villa sind eine Ehrerweisung des Architektenteams an das atemberaubende Panorama. Das liegende Trapez integriert sich in den Hang, sodass sich für das Wohnen eine Art Hohlraum im Inneren des Hauses wie auch des Hangs formen konnte. Das abschüssige Gelände war laut dem Architekten Attilio Panzeri kein Problem: «Die Hangneigung ist jeweils ein Anreiz für das Design.» Die Probleme bei Häusern an steiler Lage würden sich meist aus den geltenden Bauvorschriften ergeben. Oder mit den Worten des Architekten: «Es sind die Gesetze, welche die meisten Regulierungspläne verschmutzen.»

Ein architektonischer Avantgardist

Neben der majestätischen Lage des Hauses zieht vor allem dessen Fassade die Blicke auf sich: schwarz eingefärbter Sichtbeton in Kombination mit grobkörnigen Holzplatten. Dieses Ergebnis zu erreichen, sei alles andere als eine leichte Aufgabe gewesen, wie Attilio Panzeri sagt: «Das Resultat war nur durch intensive Zusammenarbeit mit Chemieingenieuren und kompetenten Spezialisten für Materialmanipulationen möglich.» Konkret meint der Architekt damit «Jahre des Tüftelns und Ausprobierens». Auf unzählige Versuche mit der Betonmischung, deren Behandlung und Texturen kann der Architekt mit seinem Team zurückblicken, bis sie auf die Idee kamen, eine ganz bestimmte Komponente, die bei der Arbeit mit Beton meist unberührt bleibt, ins Visier zu nehmen: «Die Pigmentierung», wie Attilio Panzeri sagt. Ein genaues Mischkonzept für das schwarze Einfärben von Sichtbeton existiert nicht. Denn die Pigmentation variiere bei den Häusern aus der Feder des Architekturbüros von Objekt zu Objekt. Der Prozess des Einfärbens aber folgt einer eindeutig definierten Technik. Ist der Beton einmal pigmentiert, wird er gerüttelt, dann in die Holzschalung gegossen, die dem Beton eine natürliche Struktur verleiht, und am Ende werden die Oberflächen noch mit einem Betonfinish veredelt. Dieses definiert nicht nur die Oberflächenbeschaffenheit des Betons, sondern auch dessen endgültige Färbung, Opazität und Reflexionsvermögen. Dank dem mutigen Entscheid der Hausbesitzer der Villa in der Gemeinde Comano kann das Tessiner Architekturbüro mittlerweile auf eine wachsende Zahl von Objekten blicken, die mit dem Schlüsselmaterial «schwarzer Beton» geplant und gebaut wurden.

«Die schwarzen Wände werden in diesem Fall zur malerischen Kulisse.»
Attilio Panzeri, Architekt

Nicht nur die Aussenwände, sondern auch das Hausinnere ist in eben gleicher schwarzer Manier verkleidet. Trotz der dunklen, erdigen Materialisierung ist die Atmosphäre im Gebäude alles andere als trostlos und kalt. «Die schwarzen Wände werden in diesem Fall zur malerischen Kulisse», wie Attilio Panzeri sagt. Die grossflächige und meist bodentiefe Verglasung des Hauses sorgt für eine Flut von sanftem Licht im gesamten Lebensraum der Bauherren, die mit ihren zwei Kindern seit dem Jahr 2014 auf dem Berg hoch über Lugano leben.

Wenn die Form der Funktion folgt

Der Alltag der Familie spielt sich massgeblich in der oberen Ebene des trapezförmigen Hauses ab. Über einen mit Pflastersteinen ausgelegten Weg gelangt man entlang der Garage zur Haustür. Schliesst sich diese hinter einem, führt das mit Steinen gepflasterte Entree bis zu den drei Treppenstufen aus Holz, die in den Wohnzimmerboden übergehen. Nun wird der Besucher mit einer beeindruckenden Panoramakulisse belohnt, die ihn davon ablenkt, dass er bereits im Sofa- und Fernsehbereich angekommen ist. Südwestlich grenzt die halb offene Küche, die mit fast raumhohen schwarzen Betonwänden eingefasst ist und direkt zum Essbereich führt. Die gesamte obere Ebene des Hauses ist über drei Seiten verglast. So auch der Schlafzimmerbereich mit integrierter Ankleide und Badezimmer, der auf der gegenüberliegenden Seite des weitläufigen Domizils liegt.

Wiederum ist es der Boden, der das Innere des Hauses mit dem Aussenbereich verbindet. Der Holzboden verwandelt sich nach der grossflächigen Verglasung zu gleichfarbigen Holzlatten im Terrassenbereich. Die Terrasse verläuft entlang der Fensterfront

über drei Seiten des Gebäudes. Die untere Ebene des Hauses ist über eine geschwungene, zentral gelegene Treppe mit dem oberen Stockwerk verbunden. Es ist das einzige Bindeglied zwischen den zwei unterschiedlichen Wohnebenen. Die Treppe verbindet den oben liegenden Sofa- und Fernsehbereich mit einer kleinen Bibliothek und Leseecke. Während das obere Stockwerk, abgesehen vom Schlafzimmer, über keine abgetrennten Räume verfügt, sondern sich durch halb offene, fliessende Übergänge charakterisiert, stehen die Raumanordnung und die Formgebung der Zimmer der unteren Etage für Privatsphäre. Auf der Vorderseite des Untergeschosses liegen die beiden Kinderzimmer mit gemeinsamem Badezimmer sowie ein weiterer Schlafbereich mit eigener Nasszelle. Alle Schlafzimmer geniessen durch ihre Lage einen prächtigen Blick in den über eine schmale Holzterrasse verbundenen Garten. Die Fensterfronten auf dieser Etage sind jedoch deutlich privater gehalten und wirken aufgrund der Holzverschalung im Untergeschoss wohnlich und behütet. Zur Hangseite liegen auf dieser Ebene weitere vier Räume, welche die Familie als Stauraum, Büro und Fitnessbereich nutzt.

Neben Material und Design, Strukturen und Formen gebührte bei diesem Bauprojekt noch einem dritten Aspekt viel Aufmerksamkeit: der Gestaltung des Gartens mit Pool. Die damit beauftragten Landschaftsarchitekten stammen aus Lugano und waren bezüglich der Bepflanzung und der Wertschätzung der Umgebung offensichtlich bestens instruiert. De Molfetta & Strode legten grosse Sensibilität an den Tag und wählten eine pflanzliche Kulisse, die den schwarzen Monolithen mit seinen Holzverstrebungen hervorhebt und gleichzeitig elegant auf die grün getauchte Landschaft des Tessins hinweist.

TECHNISCHE ANGABEN

Die Krone von Lugano
Obergeschoss
Die Krone von Lugano
Erdgeschoss

[ ARCHITEKTUR ]

Attilio Panzeri | Attilio Panzeri &Partners sa atelier d’architettura | archpanzeri.ch

[ KONSTRUKTION ]

Massivbau | Flachdach | Fassade: schwarzer Sichtbeton, pigmentiert, und grobkörnige Holzplatten

[ Raumangebot ]

Nettowohnfläche: 400 Quadratmeter | Anzahl Zimmer: 8,5

[ Ausbau ]

Wand: Beton mit Kreide-Isolation | Boden: Eichenparkett | Fenster: Eichenholz mit Doppelverglasung

[ Technik ]

Thermopumpe

Architekten-Interview

Attilio Panzeri, wessen Vorschlag war der schwarze Beton ?
Ich hatte schon lange geplant, ein schwarzes Haus zu bauen, aber ich konnte keinen Kunden finden, der bereit war, diesen Vorschlag zu akzeptieren. Anlässlich des Auftrags, diese Villa in Comano zu entwerfen und die Wahl der Materialien zu besprechen, fragten mich die Kunden selbst: «Was wäre, wenn wir sie verdunkeln würden ?» Stellen Sie sich meine Überraschung und Freude vor, endlich ein Haus aus schwarzem Sichtbeton bauen zu können.

Was waren die grössten Herausforderungen bei der Farbgebung ?
Die Entscheidung für eine Schalung des Gebäudes aus Rohholzplatten verschärfte die Schwierigkeiten. Es war sehr schwierig, die richtige Dosierung der Pigmente im Verhältnis zur richtigen Festigkeit des Betons zu finden. Denn mehr Pigment bedeutet weniger Festigkeit. Das Resultat war nur durch intensive Zusammenarbeit mit Spezialisten möglich. Der Keller des Hauses war der eigentliche Ort des Experimentierens.

Was fasziniert Sie an diesem Material und dieser Farbe ?
Ich liebe Sichtbeton und Schwarz. Obwohl Schwarz eine achromatische Farbe ist, enthält es alle Farben des elektromagnetischen Spektrums. Denn Schwarz ist keine Farbe, sondern die Abwesenheit von reflektiertem Licht. Die Geschichte lehrt, dass Schwarz voller Symbolik ist; viele Zivilisationen nutzen es noch heute, um bestimmte Botschaften zu vermitteln. Darüber hinaus hilft die Farbe Schwarz, die Harmonie von Geist und Körper zu finden, und gibt Räumen eine weitere Dimension.

Was war die grösste Herausforderung bei dieser Konstruktion ?
Die bestand darin, für die Verpackung des schwarzen Betons die richtige Formel zu finden, die auf die Konstruktionsprinzipien des Baus angewendet wurde.

Was ist die grosse Stärke dieses Gebäudes ?
Dank der Bereitschaft der Kunden konnte ich beweisen, dass es möglich ist, ein schwarzes Haus zu bauen. Es war ein Pilotprojekt, das den Bau einer weiteren schwarzen Villa wie auch die Restaurierung der neoklassischen Kirche San Fermo in Campora im Valle di Muggio und in Sorengo den Bau eines neuen Stadtteils für 400 Einwohner ermöglichte.

Die Krone von Lugano
Auf der Rückseite verschlossen und zum Lago di Lugano hin offen für Licht und Ausblick. Foto: Giorgio Marafioti
Die Krone von Lugano
Neben der majestätischen Lage und einer aussergewöhnlichen Fassade beeindruckt auch die Bepflanzung der Gartenanlage. Foto: Giorgio Marafioti
Die Krone von Lugano
Von der Sofaecke auf der Terrasse geniessen die Bauherren die Aussicht weit über den Lago di Lugano bis zum Dorf Capriasca.
Die Krone von Lugano
Der Essbereich ist auf drei Gebäudeseiten mit grossflächigen und bodentiefen Fenstern ausgestattet, die für sanftes Licht im Inneren sorgen.
Die Krone von Lugano
Die Pflastersteine, die den Weg von der Garage zur Haustür ebnen, führen bis ins Entree. Eine Holztreppe geleitet den Besucher direkt ins Wohnzimmer.
Die Krone von Lugano
Im Erdgeschoss des trapezförmigen Hauses gelangen die Bewohner von der Büronische auf die um das Haus verlaufende Terrasse.
Die Krone von Lugano
Einzige Verbindung zwischen Erd- und Untergeschoss ist eine geschwungene Treppe, die sich in der Mitte des Hauses befindet.
Die Krone von Lugano
Eine abgeschrägte Betonwand rahmt den Küchenbereich ein und öffnet ihn trotzdem zum dahinterliegenden Essraum.
Die Krone von Lugano
Der Holzboden verbindet das Innere des Hauses mit dem Aussenbereich. Die Terrasse führt entlang der Fenster-front über drei von vier Gebäudeseiten.
Die Krone von Lugano
Das Haus in der Form eines liegenden Trapezes integriert sich in den Hang, sodass sich für das Wohnen eine Art Hohlraum im Inneren des Hauses wie auch des Hangs formen konnte.
Die Krone von Lugano
Über einen mit Pflastersteinen gesäumten Weg gelangen die Bewohner vom Vorplatz mit Garage zur Haustür, wo der Steinboden bis ins Entrée hinein führt. Foto: Giorgio Marafioti
Die Krone von Lugano
Attilio Panzeri, Architekt. Attilio Panzeri & Partners, Lugano, archpanzeri.ch
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Erdgeschoss
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Obergeschoss
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